Bayerns Angst vor Ussama Bin Laden

Bayern will den angeblichen Komplizen des islamischen Multimillionärs und mutmaßlichen Topterroristen Ussama Bin Laden so schnell wie möglich loswerden. Die Moslem-Aktivisten werden verstärkt beobachtet  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) – Die bayerischen Behörden setzen im Fall des Sudanesen Mamdouh Mahmud Salim auf die USA. Die sollen, so Christoph Hillenbrand, Sprecher des bayerischen Innenministeriums, gestern, möglichst schnell darlegen, warum sie den angeblichen Komplizen des mutmaßlichen internationalen Terroristen Ussama Bin Laden ausgeliefert haben wollen. „Lieber heute als morgen wollen wir ihn loshaben“, betont Hillenbrand. Die Angst vor Vergeltungsmaßnahmen sitzt in Bayern tief.

Nachdem Salim am Mittwoch in der Nähe Freisings auf Ersuchen des US-Justizministeriums von einem bayerischen Spezialeinsatzkommando festgenommen worden war, steht nun das Oktoberfest in München im Mittelpunkt des polizeilichen Interesses. Weil es alljährlich von Tausenden von US- Touristen besucht wird, gilt es als Anschlagsziel. Verstärkte Streifengänge von uniformierten und zivilen Kräften sollen für Sicherheit sorgen. Zudem würden, so Hillenbrand, die Anhänger und Mitglieder islamistisch-fundamentalistischer Gruppen in Bayern „verstärkt beobachtet“. Die Information, daß Salim von Mallorca aus über Stuttgart nach Bayern kommen würde, resultierte aus der Überwachung islamistischer Aktivisten im Freistaat. Konkretisieren wollte dies der Sprecher des Innenministeriums nicht. Nach Angaben des bayerischen Verfassungsschutzes gibt es im Freistaat zwischen 50 und 100 gewaltbereite islamistische Extremisten. An Organisationen nennt die Behörde nur den „Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e. V.“ (ICCB) und die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs“ (IGMG). Von den bundesweit rund 26.500 Mitgliedern sind etwa 5.500 in Bayern in 70 Untergliederungen organisiert. Vor einem Jahr wurde die südbayerische IGMG-Zentrale in München von der Polizei durchsucht. Es bestand der Verdacht, daß IGMG-Mitglieder in den Räumen der Organisation illegale Ausländer untergebracht und ihnen falsche Ausweise beschafft hätten. Damals nahm die Polizei 25 Personen fest. Laut Verfassungsschutz sind „zumindest in Bayern keine politisch motivierten Gewalttaten“ von Anhängern der IGMG bekanntgeworden. Anders sieht es beim ICCB aus. Die 1994 in Köln gegründete islamische Vereinigung, der bundesweit 1.300 und in Bayern 150 Mitglieder angehören, zeichnete sich bislang in Deutschland vor allem durch eine antisemitische und antidemokratische Propaganda in ihrer vereinseigenen Publikation Ümmet i Muhammed (Die Gemeinde Mohammeds) aus. Im letzten Jahr leitete jedoch die Staatsanwaltschaft gegen einen ICCB-Vorbeter aus Augsburg ein Ermittlungsverfahren wegen der Aufforderung zur Ermordung eines Abtrünnigen in Berlin ein. Im Januar letzten Jahres hat außerdem die Stadt Köln dem ICCB- Chef Metin Kaplan das Recht auf politische Betätigung untersagt. Für die bayerischen Behörden stellen „die Unberechenbarkeit und der zunehmende Realitätsverlust“ der ICCB-Aktivisten verbunden mit der „nicht mehr ausschließlich verbalen Befürwortung von Gewalt“ ein „nicht zu unterschätzendes Gefährdungspotential für die Innere Sicherheit“ dar.

Unterdessen meldete sich aus seinem Pariser Gefängnis der Topterrorist „Carlos“. Bin Ladens Anschläge, heißt es in seinem Brief, stünden in der „historischen Kontinuität“ seiner eigenen, der Carlos- Truppe.