Vorwärts zurück ins Büro

■ Heute abend startet die vierte Staffel von "girl friends", eine der erfolgreichsten ZDF-Serien. Eine Kritik nebst Einleitung für Neueinsteiger und (Noch-)Nicht-Fans (19.25 Uhr, ZDF)

Am 23.12.1995 startete die ZDF-Frühabendserie „girl friends“, eine Geschichte um die beiden Sandkastenfreundinnen Marie und Ilka, die aus einem Provinznest namens Hitzacker nach Hamburg ausbrechen, um dort in einem großen Hotel ganz unterschiedliche Karrieren zu machen. Durchschnittlich über vier Millionen Menschen sahen die erste Staffel der „Freundschaft mit Herz“; weswegen man natürlich noch zwei weitere Staffeln nachreichte. Nicht zu Unrecht. Was zum einen den gut besetzten Rollen und zum anderen dem realitätstüchtigen Drehbuch von Christian Pfannenschmidt geschuldet ist. „Die Hölle ist ein Büro“, hatte Klaudia Brunst eingangs gelobt. „In ,girl friends‘ wird tatsächlich gearbeitet, gemobbt, gelitten und getippt. Erzählt wird von ,unten‘ nach ,oben‘: hier das Schreibbüro mit den kleinen Typistinnen, dort die Dirketionsetage mit den Chefsekretärinnen.“

Es war der Anfang einer langen Freundschaft. „So“, begeisterten wir uns dann auch zum Beginn der zweiten Staffel, „bis 23. Dezember sind unsere Dienstagabende ab sofort wieder verplant.“ Nun muß endlich mal eine Geschmacksrevision erfolgen. Die Redaktion bat deshalb eine gänzlich unverdächtigte, weil unkundige Kollegin um eine Besprechung. Voilà!

Wir haben sie ja schon hinlänglich gelobt, diese Serie. Und tun es durchaus noch einmal. Für ErstkonsumentInnen in aller Kürze: In „girl friends“ erleben zwei Freundinnen jede Menge Karrieresprünge, Schicksalsschläge und Flurtratsch. „girl friends“ liefert repräsentative Eindrücke aus dem Edeltippsenmilieu eines Hamburger Hotels. Guterhaltene Mittvierzigerinnen schmeißen da den in Marmor gehaltenen Laden und schaffen es auch noch, dabei eine gute Figur zu machen. Prima Stoff also – nicht zu abgedreht, nicht zu bodenständig, schließlich wollen wir keine Doku.

Die Abenteuer von Marie (Mariele Millowitsch) und Ilka (Tanmara Rohloff), dem Kerngespann der „girl friends“, gehen also ab heute bereits in die vierte Runde. Wie gewohnt dienstags um 19.25 Uhr. Also gerade zur rechten Zeit. Just hat man den schnöden Alltag hinter sich gebracht, Aktentasche in die Ecke gefeuert, Fernbedienung gezückt, und dann geht's – vorwärts zurück ins Büro.

Zum Glück nicht ins eigene. Denn bei „girl friends“ ist alles viel spannender und schicker. Da sitzen keine aschblonden, übermüdeten Frauen in Jeans oder schlecht sitzendem Kostüm im Schreibpool. Nein, als Schreibkraft im Hansson-Hotel bevorzugt frau den Prada-Zweiteiler.

Ganz eindeutig für die Serie spricht, daß ihre Figuren – ganz anders als in gewöhnlichen Frühabendserien – nach wie vor Charakter haben und zeigen dürfen und nicht nur holzschnittartige Pappfiguren sind. Da darf Maries Stiefpapa ihrem Verehrer schon mal stecken, daß unsere Heldin aus Hitzacker im Grunde ein Schisserle ist. Die spröde Frau Stade aus dem Vorzimmer (Andrea Bürgin) darf im Krankenhaus zur Abwechslung herzzerreißend leiden. Und wenn Ex-Sekretärin Marie endlich ihren Chef Ronaldo (Walter Sittler) heiratet, darf die treue Seele von Freundin (obwohl Ilka rein phänotypisch doch eigentlich viel besser zu dem heißen Feger von Hotelmaitre paßte) neidisch sein – aber eben Freundin bleiben. In „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ müßte sie dagegen wahnsinnig sauer sein oder tierisch großmütig – je nach Rollenzuschnitt. So verliebt sich Ilka eben der Einfachheit halber in Ronaldos Trauzeugen.

„girl friends“ bedient aber auch die Freunde simpler TV-Gelüste . Beispielsweise dann, wenn die Nummer eins im Büro (Andrea Bürgin) Brustkrebs bekommt und die verhaßte Nummer zwei (wunderbar ekelhaft: Anette Helwig) darum bittet, doch freundlicherweise ihre geliebte Orchidee zu pflegen, diese das zarte Gewächs aber kurzerhand unter genußvollem Grinsen zerschnippelt. Was will man mehr?

Keine Frage, das Drehbuch von Christian Pfannenschmidt kommt noch immer aus dem richtigen Leben. Und wenn es im Film heißt: „Jetzt denk doch nicht immer an das blöde Büro“, dann möchte man aufspringen und mit Frau Stade im Duett hervorstoßen: „Woran soll ich denn sonst denken?“ Schön, wenn einen ein Film da abholt, wo man steht: an der Bushaltestelle, auf dem Weg nach Hause.

Wer sich das ansehen sollte? Unbedingt: Hausfrauen, Studentinnen und Workaholics. Die beiden ersteren hocken schließlich tagsüber nicht am Schreibtisch und ärgern sich mit Kollegen herum. Prima Voraussetzung dafür, sich an den Intrigen im „girl friends“- Schreibpool zu delektieren. Und Workaholics? Die kriegen bekanntlich eh nie genug. Und unsereins, denen ein Achtstundentag eigentlich reicht, müssen „girl friends“ schon aus pädagogischen Gründen sehen. Oder haben Sie Ihren Chef bereits geehelicht? Uta Andresen