Rüge der Vereinten Nationen für Algeriens Machthaber

■ Delegation unter der Leitung von Portugals Ex-Präsident Mario Soares legt UN-Generalsekretär Annan ihren Bericht vor. Amnesty international kritisiert ihn als parteiisch

Madrid (taz) – Die UN-Delegation, die Ende Juli Algerien besuchte, verurteilt in ihrem gestern vorgelegten Bericht „kategorisch alle Formen terroristischer Gewalt“. Zugleich kritisiert sie Armee, Polizei und staatlich unterstützte Selbstverteidigungsgruppen. In dem 40seitige Dokument, das die Delegation unter Leitung des ehemaligen portugiesischen Präsidenten Mario Soares UN-Generalsekretär Kofi Annan überreichte, werden Polizei und Armee „willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Hinrichtungen und das Verschwindenlassen von Menschen“ vorgeworfen. Der Justizapparat würde dieses Vorgehen oft decken: „Uns sind Fälle von Richtern bekannt, die vor offensichtlichen und glaubwürdigen Beweisen von Folterungen an Menschen im Polizeigewahrsam einfach die Augen verschlossen haben.“

„Die Ordnungskräfte und die Selbstverteidigungsgruppen müssen angehalten werden, äußerst verantwortungsvoll zu handeln, damit die Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft sicher sein können, daß in Algerien ein Rechtsstaat besteht“, lautet die diplomatisch verklausulierte Rüge an die Machthaber. Denn „gerade mit mehr Demokratie und mehr Respekt gegenüber den Menschenrechten läßt sich der Terrorismus bekämpfen“.

Die Delegation bedankt sich bei den Algeriern „für die gute Zusammenarbeit und Unterstützung“. Die sechs Personen – unter ihnen der ehemalige US-Vertreter bei der UNO, Donald McHenry, und die einstige französische Gesundheitsministerin Simone Veil – bewegten sich zwei Wochen lang frei im Land. Dabei trafen sie sich mit Überlebenden von Massakern, Militärs, Parteivertretern und Menschenrechtlern. Nur ein Treffen wurde der UN-Delegation verwehrt: mit den beiden Führern der seit 1992 verbotenen Islamischen Heilsfront (FIS), Abassi Madani und Ali Benhadsch. „Sie stehen außerhalb der algerischen Legalität“, lautet die Begründung der Regierung.

„Algerien braucht die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft“, mahnt der Bericht, „denn wenn sich die Lage im Land weiter verschlimmert, kann dies sehr schwere Auswirkungen auf den Mittelmeerraum, Europa und auf die gesamte internationale Gemeinschaft haben.“ Doch Beistand seitens der internationalen Gemeinschaft ist nicht kostenlos. Die Machthaber in Algier müssen „mehr politische Offenheit“ zeigen und „den demokratischen Pluralismus“ stärken. Nach dreißig Jahren Einparteiensystem gelte es, „eine klare Machttrennung zwischen dem Präsidenten, der Armee und den Bürgerkriegsveteranen herzustellen“.

Dennoch kritisierte amnesty international gestern den Bericht. Die UN-Delegation habe auf eklatante Weise versäumt, wesentliche Menschenrechtsverletzungen zu benennen, und der algerischen Regierung nach dem Mund geredet.

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