Ewig im Startloch

■ Die Einführung einer Technik fürs digitale Radio wird mit Millionen aus Rundfunkgebühren forciert, obwohl ihr Erfolg in den Sternen steht

Letztes Wochenende in meinem Media-Markt: zwischen Subwoofern, 2.000-Watt-Boostern und Lautsprecherarsenalen für tiefergelegte rollende Techno-Diskos frage ich meinen lokalen Sounddealer nach der neuesten Technologie: „Haben Sie – bitte schön – in ihrer Schrankwand mit Autoradios auch ein Modell für den Empfang des neuen digitalen Radios DAB, das doch jetzt in den Regelbetrieb gegangen ist?“ Die Antwort kam prompt: „Nein! So was liefern wir nur auf Bestellung. Dafür ist die Nachfrage noch zu gering.“

Dabei wird die neue Radiotechnik in Berlin schon seit drei Jahren ausgestrahlt, und in den nächsten Monaten wird die Bonner Regulierungsbehörde für Telekommunikation hier endgültig Frequenzen vergeben haben. Und dann soll die neue Radiotechnik doch wahre Wunder bieten (Empfang in CD-Qualität; eine Vervielfachung des Senderangebots). Zudem soll doch auch die Einführung dieser Technik mit 180 Millionen Mark aus einer Extrazulage aus den Rundfunkgebühren bezahlt werden.

Trotzdem liefert der „Media- Markt“ nur auf Bestellung und die Industrie im Prinzip auch. Selbst der Cheflobbyist für das digitale Radio, Frank Müller-Römer, hat Verständnis für die Skepsis der Hersteller: „Die Technologie veraltet sehr schnell“, sagt er. Wenn die Industrie auf Vorrat produziert, dann „bindet es viel zuviel Kapital“.

Trotzdem ist Müller-Römer zuversichtlich: Auf der kürzlich zu Ende gegangenen Messe „Cebit- Home“ kündigte er den Einstieg in den Regelbetrieb für das Digitale Radio in der Sendenorm DAB an. Nicht zum erstenmal. Auch schon vor einem Jahr auf der Funkausstellung hieß es „Einstieg in den Regelbetrieb“. Doch dann gab es Verzögerungen. „Die Endgeräteindustrie“ stehe „in den Startlöchern“, glaubt Müller-Römer nun: „Sie wird mit der Fertigung beginnen, sobald einzelne Bundesländer auf Dauer DAB einführen.“ Rückenwind erwartet der Lobbyist, hinter dem bislang u.a. die Rundfunktechniker der Öffentlich- Rechtlichen sowie der Autoradiohersteller Blaupunkt/Bosch stehen, vom jüngsten Beschluß der Bundesregierung. Die hatte kurz vor der „Cebit-Home“ mit der Verabschiedung des Berichts der „Initiative Digitaler Rundfunk“ (IDR) eine politische Willensbekundung für die Einführung von Digitaltechnik bei Rundfunk und Fernsehen abgegeben. Der Bericht empfiehlt die Einführung von DAB als digitales Übertragungssystem für den Hörfunk. Müller-Römer sieht seinen Standard darin sogar „festgeschrieben“, wie er „erfreut“ verkünden ließ: „Der Weg für das digitale Hörfunksystem der Zukunft, das mittelfristig UKW ablösen soll, ist endlich frei.“

Auf den ersten Blick ein schöner Erfolg für die Lobbyisten, hatten sie doch mit massiver Beschönigung Einfluß auf den Bericht ausgeübt. So findet sich darin eine Passage, nach der in Großbritannien und Schweden DAB schon seit 1995 läuft. Tatsächlich gab es noch im Sommer nur in einem einzigen Laden der ganzen Britischen Inseln Empfänger-Prototypen.

Letztlich klingen die Töne ein wenig wie das berühmte Pfeifen im Walde. Hauptmotiv für die massive Pressearbeit der DAB-Lobbyisten in den letzten Tagen ist vor allem die mögliche Konkurrenz der digitalen Radioübertragung über das Fernsehnetz. Denn mit der digitalen Fernsehtechnik, die ohnehin zur Einführung ansteht, könnte man Radio gleich mit übertragen. Die Befürworter dieser Methode halten die ganze teure DAB-Einführung für eine Fehlinvestition. Solche Stimmen, beeilte sich Lobbyist Müller-Römer anzumerken, „werden nun verstummen“.

Doch das geschah nicht. Reinhold Albert, Chef der Niedersächsischen Medienanstalt, wies den DAB-Mann in Hannover darauf hin, daß der Text des Bonner Beschlusses keineswegs so eindeutig ist. Erst im Jahre 2003 solle „in Anbetracht der nationalen und internationalen Markt- und Geräteentwicklung“ endgültig entschieden werden, welche Hörfunknorm die bessere ist. Damit droht der DAB- Technologie ein ähnliches Schicksal wie dem Digitalen Satellitenradio DSR, das die Telekom nach kaum zehn Jahren nun einstellen will. Wer ein Gerät dafür hat, guckt in die Röhre. Verständlich, daß die Hersteller bei derlei Einführungen vorsichtig geworden sind.

Und der Markt ist nicht nur abhängig von den Verbrauchern, sondern auch von den Sendeanstalten. Auch dort sind die Signale uneinheitlich. Schon lange stehen die Privatradios DAB skeptisch gegenüber, weil sie für die teure Parallelausstrahlung in UKW und digitaler Norm zunächst keinerlei zusätzliche Hörer erwarten dürfen.

Mittlerweile gehen auch einige ARD-Sender auf Distanz zur neuen Technologie. Jüngst forderte auch der MDR – derzeit federführend in Sachen Technik bei der ARD –, den Systemstart zu verschieben, um Vor- und Nachteile beider Technologien in aller Ruhe auszutesten. Wichtige Ergebnisse erhofft man sich beispielsweise von einem Pilotprojekt für die Fernsehnorm DVB-T, das nächstes Jahr entlang mehreren niedersächsischen Autobahnen durchgeführt werden soll.

Immerhin: Der NDR, der sich einerseits an dem DVB-T-Projekt beteiligt, hat sich nun nach langem Zögern bereit erklärt, demnächst auch ein Sendernetz für die DAB- Technik aufzubauen. Wie ernst es dem NDR damit ist, darüber läßt sich spekulieren: Möglicherweise sind es rein strategische Überlegungen, um nicht Konkurrenten die Hoheit an den Sendernetzen abzutreten, wenn man kein Interesse zeigte. Schließlich kostet den NDR die Zusage einstweilen gar nichts, denn für den Aufbau der DAB-Infrastruktur bekommt der NDR Geld aus dem gutgefüllten Extratopf. Und das will ausgegeben sein. Jürgen Bischoff