Altern im Gefängnis

■ Monika Berberich hat die Erfahrung gefangener Tupamaras verarbeitet

Mit diesem Buch wollen die Herausgeberinnen „den Frauen und ihren Geschichten etwas von dem Raum und Respekt“ geben, der ihnen gebührt. Bei den Frauen handelt es sich um zwölf Tupamaras, die gegen die Militärdiktatur in Uruguay (1970 bis 1985) gekämpft haben. Sie wurden verhaftet, gedemütigt und gefoltert. Haben überlebt und berichten von ihren Erfahrungen als Frauen im Knast.

Viele der Kämpferinnen haben lange gebraucht, die Erfahrung des Alterns zu verarbeiten. Viele von ihnen kannte man nicht, nur die Männer galten als Helden. Yessie Macchi schildert diese Erfahrung in beeindruckender Weise. „Die Wirklichkeit traf uns wie ein Schlag, weil wir in dem Gefühlsalter herauskamen, das wir bei der Verhaftung gehabt hatten, aber wir kamen physisch verändert heraus... Mit 40 oder 50 Jahren, ob gealtert oder nicht, kamen die Männer mit unveränderter Haltung und dem Glorienschein der Guerilla-Helden heraus, was die Bewunderung vor allem der Frauen ihnen gegenüber vergrößerte.“

Eine der Herausgeberinnen, das ehemalige RAF-Mitglied Monika Berberich, hatte von 1970 bis 1988 selbst Knasterfahrung. Irene Rosenkötter arbeitete mehrere Jahre in einer Angehörigengruppe für politische Gefangene. Beiden ist es ein Anliegen, das Frauenspezifische herauszustellen. Bisher gibt es nur die literarische Verarbeitung aus männlicher Sicht.

So erscheinen die Erzählungen nicht als „Kriegsberichterstattung“ gegen das Herrschaftssystem, sondern als Reflexion über die Zeit im Knast. Von den alltäglichen Schikanen der Wächter über Folter und andere psychische Demütigungen. So hielt „der Haß“ Yessie Macchi aufrecht. Sie dachte an ihr Kind und ihren Compañero. Niemals habe sie sich gefragt, ob sie die Folter bis zum Schluß aushalten werde. Wichtig war der Sieg in der täglichen kleinen Schlacht. Aber das Leben im Knast bestand nicht nur aus „Härte und Ernst“, sondern es gab auch „Fröhlichkeit und Humor“, so Macchi. „Fröhlichkeit und Kreativität waren eine Waffe in unserem Kampf!“ Auch das Thema Mutterschaft beschäftigte solche Frauen, die gerne Kinder haben wollten, aber aufgrund der Haft nicht mehr im entsprechenden Alter waren.

Den Militärs ging es um das Brechen der „Weiblichkeit“. Die Entpersonalisierung, symbolisiert durch kurze Haare, männliche Uniform und keinerlei Entgegenkommen, war die männliche Strategie der Demütigung, so Gloria Etcheveste. Schlimmer jedoch waren die Repressionen, die die Kämpferinnen seitens der weiblichen Militärpolizei erfuhren. Durch Ablehnung und Widerstand wollten Polizistinnen die „persönliche Identität“ der weiblichen Gefangenen zerstören. Diese Aufseherinnen konnten nicht akzeptieren, daß Frauen im Knast auch noch fröhlich sein konnten und ihre Unfreiheit als Freiheit begriffen, so Nelida Fontora. „Ich glaube, das gehört zur Befreiung der Frauen, daß, wenn sie ihren Weg finden, niemand sie mehr aufhalten kann.“

Ein Gedankenaustausch zwischen den ehemaligen deutschen politischen Gefangenen und lateinamerikanischen Kämpferinnen über ihre gemeinsamen Knasterlebnisse wäre ein lohnenswertes Zukunftsprojekt. Ludwig Watzal

Monika Berberich, Irene Rosenkötter (Hrsg.): „Aber wir haben immer auf das Leben gesetzt...“. Verlag Libertäre Assoziation, Hamburg 1998, 269 Seiten, 29 DM