Trainiert wird genausooft wie in der Bundesliga

■ „Ohne Krieg wären wir Europapokal-Sieger geworden“: Wie Borac Banja Luka versucht, inmitten eines aufgeteilten Bosnien-Herzegowina weiterhin Handball auf europäischem Niveau zu spielen

Banja Luka (taz) – Heute und morgen sind Wahlen in Bosnien- Herzegowina. Auch Krštan Simić und Brane Buhavać werden wählen gehen. Die Aufmerksamkeit des Präsidenten und des Vereinsvorsitzenden des R. K. Borac Banja Luka ist dieser Tage aber auch auf ein anderes Ereignis gerichtet: In Bosnien-Herzegowina beginnt wie in den meisten europäischen Ländern die Handballsaison. Allerdings sind die Bedingungen für den einstmals international so erfolgreichen Klub nur noch bedingt mit denen anderer europäischer Elitevereine vergleichbar.

Trainiert wird zwar vier- bis fünfmal die Woche, ein Aufwand, der sich mit dem in der deutschen Bundesliga messen kann. Und auch die vereinseigene Halle der Borac, der „Kämpfer“, entspricht mit einem Fassungsvermögen von knapp 3.000 Zuschauern europäischem Standard, wenngleich ihr Erscheinungsbild schon aufgrund des Parkettfußbodens nicht den Eindruck einer modernen Sportarena vermittelt.

Doch die räumlichen Gegebenheiten sind es nicht, die Simić umtreiben, ebensowenig plagen den Präsidenten Nachwuchssorgen: „Borac wirkt immer noch wie ein Magnet.“ Das ist kein Wunder, kann der ausschließlich dem Männerhandball vorbehaltene Klub doch auf eine lange, erfolgreiche Tradition zurückblicken. Neben unzähligen nationalen Meisterschafts- und Pokaltiteln sind die Finalteilnahme 1975 und der Gewinn des Europapokals 1976 die größten Erfolge des Klubs.

Aber nicht nur als Vereinsspieler war man erfolgreich. Zu jeder Zeit bestückte der 1950 gegründete Klub auch die Nationalmannschaft mit Spielern, so zum Beispiel die von Vlado Stenzel trainierte jugoslawische Olympiasiegermannschaft von 1972.

Der anschließende Empfang beim damaligen Staatsoberhaupt Tito ist – gemeinsam mit vielen anderen Höhepunkten der Vereinsgeschichte – dokumentiert in einer 400seitigen Chronik, in der auch Fotografien von Pokalbegegnungen mit dem TV Großwallstadt und dem VfL Gummersbach zu finden sind. Seinen letzten internationalen Titel holte Borac 1990 mit dem IHF-Pokal im Finale gegen ZSKA Moskau.

Als im Juni 1991 Slowenien seine Unabhängigkeit erklärte, nahm die Auflösung eines gemeinsamen Jugoslawien ihren Lauf. Die beginnende Aufteilung nach ethnischer Herkunft machte auch vor den Hallentüren von Borac nicht halt. Eine Tatsache, die gut sieben Jahre danach den Vorsitzenden Brane Buhavać noch immer mit Zorn erfüllt.

„Wir haben nie die nationale Frage gestellt“, sagt er. So war beispielsweise der Muslime Zlatan Arnavtović bis kurz vor dem Krieg lange Jahre die Nummer eins im Tor. Überhaupt liest sich die Mannschaftsaufstellung von Banja Luka vor 1991 wie ein Who's-who der später neuformierten Nationalteams. Die Serben Knešević und Stupar spielten für Jugoslawien, Puc, Smailagić, Saraćević und Cavar für Kroatien.

„Wenn es keinen Krieg gegeben hätte, wären wir mehrfach Europapokal-Sieger geworden“, behauptet Buhavać. Wehmut, aber auch ein gutes Stück Verbitterung schwingt in seiner Stimme mit, als er erzählt, daß man in den Siebzigern und Achtzigern drei- bis viermal pro Jahr nach Deutschland eingeladen worden ist: „Wir haben früher dort sportliche Entwicklungshilfe geleistet, es wäre an der Zeit, jetzt etwas zurückzugeben.“ Nun seien die besten Spieler im Ausland, im aktuellen Borac- Team ist der erfahrenste Akteur gerade mal 23 Jahre alt. Es mangele sowohl am Geld als auch an der sportlichen Herausforderung.

„In Dayton wurde der Sport vergessen“, sagt Buhavać, was nicht ganz stimmt. Der Staat ist nach dem Abkommen von Dayton aufgeteilt in die Entitäten „Republika Srpska“, die hauptsächlich von Serben bewohnt wird, und „Föderation“, hier leben vornehmlich Muslime und Kroaten. Gemäß dem Abkommen von Dayton ist Sport eine Sache dieser Entitäten. So ist die Organisation des Spielbetriebes an die Republika Srpska und an die Föderation gebunden. Dies engt die Möglichkeiten des sportlichen Vergleichs schon geographisch ein. Darüber hinaus gibt es in der Republika Srpska überhaupt nur noch fünf zum Handballspielen geeignete Sporthallen.

Außerdem: Bosnien-Herzegowina ist als autonomer Staat anerkannt, somit findet eben auch der Sport als Teilbereich des kulturellen Lebens innerhalb dieser Grenzen statt. Das Formieren eines eigenen Nationalteams ist aber noch nicht gestattet.

„So ein Statusm, wie Irland ihn hat...“, sagt der Präsident, und der Vorsitzende ergänzt: „Ja, das würde reichen.“ Die Möglichkeit zu einer gemeinsamen Liga beider Entitäten besteht jedoch. Dies bedarf allerdings der Absprache und Organisation über die Entitätengrenze hinaus und somit zwischen den ethnischen Gruppierungen, was in einem noch immer von den Nachwirkungen eines fünfjährigen, blutigen Krieges gezeichneten Land nicht einfach ist, weder vom logistischen noch vom chauvinistischen Standpunkt aus.

So gibt denn auch der einzige bislang von der Borac-Vereinsführung unterbreitete Vorschlag zu denken: „Wir dachten an eine dreigeteilte erste Liga, eine serbische, eine kroatische und eine muslimische.“