„Lohndumping“ bei der Diakonie

■ MitarbeiterInnenvertretung im Diako-Krankenhaus fordert Haustarif / Klinikleitung will lieber neues Konzept „Diako 2000“ feiern und verpaßt den Angestellten einen Maulkorb

Die Klinikleitung des Diako-Krankenhauses hat der MitarbeiterInnenvertretung (MAV) einen herben Maulkorb verpaßt. Anlaß sind die MAV-Forderungen nach einem Haustarifvertrag. Die MitarbeiterInnen fürchten massive Verschlechterungen bei Arbeitszeit und Entlohnung. Darum wollten sie an einer Pressekonferenz, in der die Klinikleitung kommenden Dienstag das neue Konzept „Diako 2000“ vorstellen wird, teilnehmen. Der Arbeitgeber schloß die MAV jedoch kurzerhand aus. Die MAV könne mit aufs Podium, wenn das Thema Tarif nicht angesprochen werde. Die MAV will diese „Zensur“ nicht hinnehmen und boykottiert die Veranstaltung jetzt.

Dabei herrscht unter den 875 MitarbeiterInnen des Diako zur Zeit große Unsicherheit. Nach Angaben der ÖTV-Vertrauensfrau im Diako-Krankenhaus, Katharina Dimitric, seien die Arbeitsbedingungen bisher immer am Bundesangestelltentarif (BAT) orientiert gewesen. Vorgegeben werden sie von der Arbeitskommission der evangelischen Kirche Deutschland. Vor zwei Jahren habe man sich aber vom BAT verabschiedet und die ArbeitnehmerInnen in der Kommission durch Schergen der Arbeitgeber ersetzt. „Seitdem ist die Diakonie mit ihren 400.000 Angestellten Vorreiter für ein gigantisches Lohndumping“, kritisiert die ÖTV-Vertrauensfrau.

Dadurch, daß die Diakonie nach dem öffentlichen Dienst der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland ist, befürchtet sie zudem massive Auswirkungen dieser Lohnpolitik auch auf den Bundesangestelltentarif. Beispiel: „Seit September erhalten Neueingestellte in unteren Lohngruppen bei uns bis zu 790 Mark weniger im Monat. Die können auch direkt zum Sozialamt gehen“, beschwert sich Dimitric. Hinzu kommen Einbußen beim Weihnachtsgeld und weniger Lohn für Kranken- und Urlaubstage.

Zudem befürchtet sie noch eine andere negative Auswirkung. Durch die Abkoppelung vom BAT koppelt sich das Diako auch von den kommunalen Krankenhäusern ab: „Damit ist doch klar, daß vor allem jüngere Leute schnell zusehen werden, daß sie wechseln können.“ Das Diako spiele dann nur noch mit der B-Mannschaft. Um dies zu verhindern, müsse die Diako-Klinikleitung bereit sein, einen Haustarif aufzusetzen. Zumal momentan die neuesten Beschlüsse der Arbeitskommission im Diako nicht umgesetzt werden.

Das liegt daran, daß Klinikchef Walter Eggers offensichtlich ebenfalls kein Interesse daran hat, seine MitarbeiterInnen mit den Beschlüssen der Arbeitskommission zu verärgern. „Ich brauche gerade jetzt motovierte Leute.“ Denn das Diako wird am kommenden Dienstag in eine GmbH übergeleitet. Dann soll für rund 40 Millionen Mark umgebaut, die orthopädische Abteilung integriert werden.

Das ist auch der Grund für den „Maulkorb“. Eggers wollte die Zukunft des Diako feiern. Die MAV wollte einen günstigen Anlaß, um mit ihren Sorgen an die Öffentlichkeit zu treten. „Denn noch hält Eggers an den BAT-Richtlinien fest. Wenn der Umbau aber zum Beispiel teurer wird, ist das doch schnell hinfällig“, mutmaßt Dimitric. Ebenso wie die ÖTV – für Gewerkschaftssekretär Jürgen Humer „ist die Schmerzgrenze erreicht“. Mit einem flexiblen Haustarifvertrag könne man die gleichen Vorteile erzielen, die ArbeitnehmerInnen aber zugleich wesentlich besser absichern. Dazu wollte sich Klinikchef Eggers vorerst nicht weiter äußern. Jens Tittmann