Neuer Trend nur dank Arbeitsbeschaffung

■ Durch eine verstärkte Anwendung von ABM kann die Bundesanstalt für Arbeit drei Wochen vor der Wahl Positives vermelden. Bis Ende August war die Arbeitslosigkeit auf knapp 4,1 Millionen gesunken. Pro

Nürnberg (taz) – Die Vorabmeldungen waren richtig: Ende August waren in der Bundesrepublik Deutschland 4.095.432 Arbeitslose registriert, das waren 39.032 weniger als im Vormonat. Die Interpretation fiel auch erwartungsgemäß aus: „In ganz Deutschland ist die Trendwende vollzogen“, verkündete der Chef der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA), Bernhard Jagoda. Nur seine lyrischen Anwandlungen waren neu: „Wir dürfen das zarte Pflänzchen des Besserwerdens jetzt nicht durch die großen Schuhe des Pessimismus zertreten.“

Deshalb ist bei CDU-Mann Jagoda nun Optimismus angesagt. Er sagte nicht nur für den September und den Oktober diesen Jahres das Unterschreiten der Vier-Millionen-Grenze bei den Arbeitslosen voraus, sondern prognostizierte dieses auch gleich für die Durchschnittsarbeitslosigkeit des Jahres 1999. Einzige Bedingung: Die aktive Arbeitsmarktpolitik bleibt auf dem derzeit sehr hohen Niveau.

Nur dem kräftigen Zuwachs bei Arbeitsbeschaffungs-, Umschulungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen ist es zu verdanken, daß die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern binnen Monatsfrist um 22.600 auf 1,29 Millionen zurückging. Damit liegt sie zum dritten Mal in Folge unter dem Vorjahresniveau und erfüllt das Kriterium für eine „Trendwende“.

In den alten Ländern liegt die Arbeitslosigkeit bei nun 2,8 Millionen und damit zum achten Mal in Folge unter dem Wert von 1997. Die Zahl der Menschen, die erwerbstätig sind, bleibt jedoch mit 34,02 Millionen weiterhin unter dem Vorjahresniveau. Daran schuld ist die Entwicklung in den neuen Ländern. Hier gab es nur noch 6,05 Millionen Erwerbstätige, rund 54.000 weniger als vor einem Jahr.

Nicht nur das starke Ausweiten der Arbeitsmarktpolitik ließ die Statistik günstiger ausfallen und damit die Bundesregierung frohlocken. Das Angebot an Arbeitskräften sank auch aus demographischen Gründen, zugleich nahm die Zuwanderung ab.

Im Jahresdurchschnitt blieb das Arbeitskräfteangebot um 170.000 unter dem Vorjahreswert und entspannte den Arbeitsmarkt. Zudem kippen Arbeitslose dank der Verschärfung gesetzlicher Vorschriften schneller aus der Statistik. So müssen Leistungsempfänger seit Jahresbeginn unaufgefordert alle drei Monate persönlich ihre Arbeitslosmeldung erneuern.

Nur noch derjenige darf als Arbeitsloser registriert sein, der weniger als 15 Stunden wöchentlich arbeitet. Vorher waren 18 Stunden nebenbei erlaubt. Außerdem dürfte die Verschärfung der Vorschriften über die Zumutbarkeit von Tätigkeiten eine erkleckliche Zahl von Arbeitslosen in die Resignation und damit in die „Stille Reserve“ getrieben haben.

Trotz aller optimistischer Worte hatte der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Jagoda, dennoch einen Wermutstropfen parat: Viele Jugendliche werden beim Roulette um die Ausbildungsplätze auch in diesem Jahr wohl wieder leer ausgehen. „Die Schere geht weiter auf“, kommentierte Jagoda die aktuellen Zahlen. Derzeit stehen 151.600 Bewerbern nur noch 58.900 offene Lehrstellen gegenüber. Jagoda rechnet damit, daß am Ende wohl 20.000 ohne Lehrstelle dastehen werden. „Deutschland kann sich das nicht leisten“, mahnte er. Bernd Siegler