„Jugendtrupp Asia“ macht mobil

■ Ein kontroverser China-Film ärgert Japans Rechtsextremisten – in dem Moment, wo sie ohnehin kulturell auf dem Vormarsch sind

Chigasaki (taz) – Für Japans Rechtsextremisten sind Initiativen für eine Aussöhnung mit Asien eine Beleidigung der Nationalehre. Hautnah konnte die junge Mutter Yayoi Fukuda dies am vergangenen Dienstag in der Kleinstadt Chigasaki südlich von Tokio erleben. Die Vorsteherin der Frauengruppe hatte zu einem Filmabend im örtlichen Kulturhaus eingeladen. Der Hongkonger Dokumentarfilm „Nanking 1937“, in dem das Schicksal von Überlebenden des Nankinger Massakers von 1937 gezeigt wird, sollte als Grundlage für eine Diskussion über die Beziehung Japans zu China dienen. Es kam jedoch ganz anders, als sie sich gedacht hatte.

Aufgeschreckt wurde Frau Fukuda schon eine Woche vor dem Filmabend, als plötzlich rund um das Kulturhaus über 200 Flugblätter an Laternenpfählen klebten, die ihre Gruppe als Nestbeschmutzer beschimpften, die Japans nationale Ehre beleidigten. Anonym natürlich. Tagsüber rollte ein schwarzgestrichener Kleinbus des rechtsextremistischen Verbands „Jugendtrupp Asia“ durch die Straßen der Kleinstadt mit 70.000 Einwohnern und forderte über Lautsprecher die Organisatorinnen auf, den Film kurzerhand abzusetzen. „Wir lassen uns doch von diesen paar Rechtsextremisten nicht einschüchtern“, dachte sich Frau Fukuda und verschickte weiter persönliche Einladungen für den Filmabend.

Sie hatte nicht mit der Invasion gerechnet, die Chigasaki übers Wochenende überfiel. Diesmal fuhr der „Jugendtrupp“, dessen Führer inzwischen 70 Jahre alt ist, mit 20 pechschwarzen Großbussen ein. Aus aufmontierten megawattstarken Lautsprecher schoß in militärischem Befehlston, durchmischt von Marschmusik aus dem Zweiten Weltkrieg, eine Haßtirade auf die Frauengruppe nieder. 36 Stunden dauerte die flächendeckende Bedröhnung.

Wegen der geplanten Vorführung eines japankritischen Films war Chigasaki über Nacht zum Tummelfeld der rechtsextremistischen Szene geworden, die in ganz Japan rund 120.000 aktive Mitglieder zählt. Jedesmal, wenn eine Organisation die Kriegsschuld der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg thematisieren will, fahren diese Gruppierungen mit ihren ohrenbetäubenden Lautsprechern auf und protestieren lauthals.

Im modernen Japan sind zwar Leute wie Yayoi Fukuda, die eine ehrliche Betrachtung der Geschichte und die Aussöhnung mit Asien suchen, in der Mehrheit. Doch der Lärm der rechtsextremistischen Gruppen stört jede vernünftige Diskussion. Seit Juli haben sie zudem einen prominenten Mitstreiter. Der bekannte Manga- Zeichner Yoshinori Kobayashi leugnet auf einem 378 Seiten langen Comic mit dem Namen „Senso-ron“, zu deutsch „Diskurs über den Krieg“, jegliche Kriegsschuld der Japaner und verherrlicht die faschistoide Moral aus der Vorkriegszeit. „Japan hat einen Befreiungskrieg gegen die westlichen Kolonialmächte geführt“, sagt Kobayashi auch öffentlich in Fernsehinterviews. 250.000 Exemplare des Comics hat er nach eigenen Angaben innert einem Monat abgesetzt.

„Gegen solche Tendenzen müssen wir mit allen Mitteln kämpfen“, sagt Yayoi Fukuda in Chigasaki. Der Bürgermeister half mit und rief über 200 Ordnungskräfte herbei. Sie sperrten am Dienstag die Zugangsstraßen zum Kulturhaus weiträumig ab. Leer blieben auch die ersten fünf Reihen des Filmsaals, weil ein Monat früher in Yokohama ein Rechtsextremist die Leinwand während der Vorführung desselben Filmes mit einer Machete zerfetzt hatte. Um acht Uhr waren dann 300 Leute da, die sich den Film ansahen. Danach diskutierten 40 Leute über die Vergangheit. „Wir müssen die Geschichte neu schreiben, damit wir im 21. Jahrhundert friedlich mit den Nachbarn zusammenleben können“, faßte Fukuda das Ergebnis der zweistündigen Diskussion zusammen. Und draußen vor der Tür? Dort plärrten die Lautsprecher weiter bis um zwei Uhr früh. André Kunz