Todkranke nicht fallenlassen

■ Der Bremer Journalist Gerhard Buzzi über das Phänomen der Spontanheilung

Ein Mann hat einen Tumor in der Bauchhöhle. Die Ärzte geben ihn auf, schicken ihn nach Hause und raten ihm, sein Testament zu schreiben. Wenige Monate später ist der Mann gesund, der Tumor verschwunden. Solche und ähnliche Fälle hat der Bremer Journalist Gerhard Buzzi (44) in seinem Buch „Spontan geheilt“ untersucht. Er hat mit sterbenskranken Patienten gesprochen, die entgegen der Prognose von Ärzten gesund geworden sind. Wunder oder Zufall, wollten wir von ihm wissen. Buzzi ist Chef der Bildzeitung in Bremen.

taz: Herr Buzzi, waren Sie selbst mal schwer krank?

Gerhard Buzzi: Nein.

Und wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Buch über Spontanheilung zu schreiben?

Ganz einfach. Ich finde, daß man den Leuten sagen muß, wie sie es anstellen, nicht krank zu werden.

Welche Kompetenz haben Sie? Sie sind doch Journalist und kein Arzt.

Ich habe nie behauptet, Arzt zu sein. Aber ich habe Leute interviewt, die schwer krank waren und die geheilt wurden, obwohl die Ärzte sie aufgegeben hatten. In meinem Buch erzählen diese Leute, wie sie es geschafft haben, wieder gesund zu werden.

Wenn man Ihr Buch liest, gewinnt man den Eindruck, daß alle Krankheiten, also auch Krebs, seelisch bedingt sind. Besteht dadurch nicht die Gefahr, daß man den Kranken ein schlechtes Gewissen einredet und ihnen das Gefühl vermittelt, sie seien selbst schuld an ihrer Krankheit?

Krankheiten, die psychosomatisch bedingt sind, sind nichts Neues. Es gibt mittlerweile unzählige Abhandlungen über den Zusammenhang zwischen der seelischen und körperlichen Verfassung eines Menschen. Selbst die Schulmedizin kommt daran nicht mehr vorbei.

Aber in Ihrem Buch kommen viele Krebskranke zu Wort, die seelische Ursachen für ihre Krankheit verantwortlich machen. Mediziner bestreiten jedoch, daß Krebs seelische Ursachen hat. Einige Experten behaupten sogar, Krebs sei eine Erbkrankheit.

Ich habe an keiner Stelle geschrieben, daß Krebs nur eine seelische Ursache hat. Das ist auch nicht der Fall. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß sich jeder Krebskranke früher oder später die Frage stellt: Was ist in meinem Leben schiefgelaufen? In meinem Buch kommt zum Beispiel ein Mann zu Wort, der an Hautkrebs erkrankt war. Er hat erst durch die Krankheit erkannt, daß er seine Seele sein Leben lang draußen gelassen hat. Ich habe mich jahrelang mit Krebskranken beschäftigt. Das zynische ist, daß viele Leute, die krank waren, der Krankheit mittlerweile sogar dankbar sind, weil sie erst durch die Krankheit erkannt haben, was schiefgelaufen ist.

Und was ist mit den Leuten, die aus einer Familie stammen, in der es viele Krebskranke gibt?

Natürlich gibt es solche Fälle. Das Zusammenspiel zwischen Körper, Geist und Seele ist noch immer ein riesiges Geheimnis. Eine Krankheit hat immer mehrere Facetten. Ich finde es genauso unverantwortlich von einem Krebsspezialisten, wenn er sagt, die Krankheit hat nichts mit der Seele zu tun. Die Leute, die ich interviewt habe, sind zu einem anderen Ergebnis gekommen.

In dem Buch werden Krebskranken Entspannungstechniken empfohlen. Ist das nicht gefährlich verniedlichend?

Die Entspannungsübungen werden nicht empfohlen, um den Krebs zu besiegen. Ich sage auch nicht, daß die Menschen der Schulmedizin abschwören sollten. Aber die meisten Menschen gehen zum Arzt und wollen Tabletten, damit sie gesund werden. Wir gehen zum Arzt und wollen, daß er uns gesund macht. Für uns selbst tun wir nichts – außer Tablettenschlucken. Die Entspannungstechniken sind nur dazu da, um den Leuten Anregungen zu geben, was sie für ihr eigenes Wohlbefinden tun können.

Haben Sie keine Angst, mit Ihrem Buch falsche Hoffnungen zu wecken?

Was ist eine falsche Hoffnung? Die Patienten, die ich interviewt habe, haben von den Ärzten Sätze gehört wie: „Sie haben nur noch zwei Monate zu leben, gehen Sie nach Hause und machen Sie ihr Testament. Wir können nichts mehr für Sie tun.“ Ist das eine richtige Hoffnung? Was ist denn das für ein Umgang mit den Patienten? Es ist doch besser, solchen Menschen trotzdem Lebensmut zu geben. Was ist schlecht daran, diesen Menschen zu sagen: „Natürlich kannst Du etwas für Dich tun, sei stark“? Die Leute müssen lernen, auf ihre Selbstheilungkräfte zu vertrauen. Man darf diese Patienten nicht fallenlassen. Stirbt der Patient, erreicht er zumindest, daß er sich die letzten Wochen wohler fühlt. Mein Buch will ein anderes Verständnis vom Tod vermitteln. Ich muß jede Sekunde um mein Leben kämpfen, gerade als Kranker. Und ich muß auch bereit sein zu sterben. Aber ich muß lernen, in Frieden sterben zu können.

Fragen: Kerstin Schneider

Gerhard Buzzi: „Spontan geheilt“, Bastei-Lübbe, ISBN 3-404-701259, 12 Mark 90