Im Interesse der Zuschauer

■ Die Multimedia-Messe "CeBIT Home" bringt neuen Schwung in die alte Diskussion ums Digital-TV: Der Handel schlägt sich auf die Seite von ARD und ZDF, die d-box gerät unter Druck

Kaum hat die Bundesregierung den Bericht der „Initiative Digitaler Rundfunk“ zustimmend zur Kenntnis genommen, in dem für das Jahr 2010 die Abschaltung der letzten analogen Fernsehsender vorgeschlagen wird, da kommt auch schon Bewegung in die Diskussion um das digitale Fernsehen. Neben Premiere und Kirchs DF 1 will sich nun auch die Telekom mit einem eigenen Angebot an ihre Kunden wenden. In einem ersten Schritt würde die Telekom nämlich gern ein digitales Paket von ausländischen Fernsehprogrammen für Immigranten in Deutschland vermarkten. Von Portugal über Polen bis China spannt sich die Liste der fremdsprachigen Sender, die in die Kabelnetze eingespeist werden sollen. Weitere ausländische Angebote sollen folgen, teilte die Telekom anläßlich der Hannoveraner Multimedia-Messe „CeBIT- Home“ mit.

Mit den bislang nicht im Kabel verbreiteten Angeboten will die Telekom zum einen eine neue Zielgruppe unter den Kabelkunden ansprechen. Gleichzeitig soll diese Gruppe mithelfen, den Markt für das digitale Fernsehen aufzuknacken. Doch es bleibt fraglich, ob dieses Kalkül wirklich aufgehen kann. Schließlich sind gerade die Immigrantenhaushalte überdurchschnittlich mit Satellitenempfangsanlagen ausgerüstet – ein Ergebnis der jahrelangen Vernachlässigung dieser Zielgruppe.

Zum Empfang des Telekom- Pakets benötigen die Interessenten weiterhin die d-box, das Empfangsgerät aus dem Hause Kirch, das die Telekom mittelfristig als digitalen Standardempfänger in den bundesdeutschen Kabelnetzen durchsetzen will. Torsten Kreindl, Leiter des Geschäftsfeldes Kabel-TV bei der Telekom erklärte auf der „CeBIT-Home“, daß noch bis zum Jahresende weitere Hersteller Set-Top-Boxen auf Basis der d-box-Technologie anbieten könnten. Zur Zeit jedenfalls befinde man sich in intensiven Lizenzverhandlungen mit zahlreichen Herstellern.

Demgegenüber formiert sich auf der anderen Seite eine Allianz gegen die Politik von BerTelKirch. Einmal mehr zeigte die ARD auf ihrem Messestand frei empfangbares digitales Fernsehen über Set- Top-Boxen, die nicht von Kirch lizensiert sind. „Open-TV“ nennt sich die Softwareplattform, mit der auf digitalen Satellitenreceivern von Galaxis, Kathrein, Panasonic und anderen Herstellern nicht nur das ARD-Paket, sondern auch andere frei empfangbare Digitalprogramme wiedergegeben werden können. Diese Software, die im übrigen bereits in zahlreichen europäischen Ländern eingesetzt wird, ermöglicht es – im Gegensatz zur Kirch-Box – schon jetzt jedem Sender, seine Programmpakete individuell zu präsentieren, und ist darüber hinaus noch geeignet, verschiedene Verschlüsselungssysteme von Pay-TV-Anbietern zu verarbeiten.

Der ARD und dem ZDF den Rücken stärkt dabei jetzt auch der mittelständische Elektronikfachhandel. Die zwei größten Handelskooperationen, ElectronicPartner und Interfunk wollen die entsprechenden Set-Top-Boxen demnächst in den Vertrieb aufnehmen. Peter Keller, Vorstandsmitglied von Interfunk, erklärte gegenüber dem Fachdienst epd-medien: „Langfristig rechnen wir für Pay-TV mit einer Marktbedeutung von zehn Prozent.“ Dementsprechend würden technisch isolierte Pay-TV-Systeme, wie die d-box den Interessen der Zuschauer und damit des Handels nicht gerecht. Keller: „Nur eine unabhängige technische Plattform mit attraktiven, kostenlosen Dienstleistungen und der technischen Option für Pay-TV kann der Schlüssel für die Akzeptanz des digitalen Fernsehempfangs sein.“

Sein Kollege Edgar Haubrich von ElectronicPartner warf BerTelKirch vor, daß die geschlossene Decodertechnik der d-box den Wettbewerb um digitale Inhalte blockiere. Insgesamt hat es den Eindruck, daß sich der Handel von seiner Unterstützung der Open- TV-Decoder einen wesentlich erfolgreicheren Einstieg in das Geschäft mit dem digitalen Fernsehen verspricht – das ja nun mit dem Beschluß der Bundesregierung von Anfang vergangener Woche eingeläutet ist.

Problematisch ist allenfalls, daß damit bislang nur der Wettbewerb bei den Satellitenempfängern in Gang kommt. Die Kabelhaushalte hingegen müssen sich vorerst weiter mit den Vorgaben von BerTelKirch herumschlagen. Fragt sich nur, wie lange noch.

Inzwischen hat nämlich auch die Brüsseler Bürokratie verstanden, daß sie regulierend eingreifen muß, wenn der Markt für das digitale Fernsehen überhaupt vom Boden abheben soll. Und in der Abteilung von EG-Kommissar Bangemann stößt dem Vernehmen nach Open-TV auf großes Interesse. Jürgen Bischoff