„Eine andere Reaktion gewünscht“

■ Ernst-Otto Czempiel von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung über die Fehler und Risiken der US-Bombardements

taz: Herr Czempiel, die USA haben sich offenbar entschieden, nicht mehr auf Strafverfolgung von Terroristen zu setzen, sondern auf Kriegsführung.

Czempiel: Man hat in Amerika schon lange darüber diskutiert, ob eine Strategie sinnvoll ist, etwa mit einem Vergeltungsschlag oder mit dem Kidnapping von angeblichen Terroristen wie Bin Laden auf Anschläge zu antworten. Offenbar hat sich die Theorie durchgesetzt, daß man, um weitere Terroranschläge zu verhindern, einfach gegen die Länder militärisch vorgehen müsse, in denen man Terroristen vermutet. Ich halte das nicht für richtig, weil ich es nicht für effektiv halte, kann aber nicht abstreiten, daß irgendeine Reaktion ja schließlich erfolgen mußte.

Nun gibt es Leute, die sagen, wenn man mit solch einer Strategie einmal angefangen hat, kommt man davon nicht mehr weg.

Tatsächlich könnte hier ein Mechanismus in Gang kommen: Wenn die radikalislamische Seite ihrerseits wieder zuschlägt, als Vergeltung, dann kann sich daraus ein regelrechter Terrorkrieg entwickeln. Man kann aber auch nicht ausschließen, daß dieser sich auch entwickelt hätte, wenn die Amerikaner nicht reagiert hätten.

Meinen Sie, daß es richtig war, den Sudan miteinzubeziehen?

Der Sudan ist von Amerika offiziell unter die terroristischen Unterstützerländer eingeordnet worden. Bin Laden hat lange im Sudan residiert. Nur haben die USA dort jetzt keine angeblichen Terroristencamps bombardiert, sondern eine Fabrik, die sich angeblich mit der Herstellung von Chemiewaffen beschäftigt. Das ist ein ganz anderer Begründungszusammenhang, auch rechtlich. Die USA sagen: Wir haben hier eine Maßnahme eingesetzt, um zu verhindern, daß der Sudan den Chemiewaffenvertrag verletzt und Massenvernichtungswaffen herstellt.

Selbst den USA freundlich gesonnene Staaten in der islamischen Welt haben auf die Bombardierung Sudans recht verärgert reagiert. War es das wert?

Der Schaden ist politisch gesehen noch viel größer. Die Amerikaner haben ja sehr auf die Taliban in Afghanistan gesetzt und setzen nach wie vor darauf, weil sie ja hoffen, die Pipeline vom Kaspischen Meer durch Afghanistan ziehen zu können. Mit der Bombardierung von Afghanistan hat Amerika zwei seiner wichtigsten Alliierten, nämlich Pakistan und Saudi-Arabien, tief verletzt. Ob es das wert war, wage ich zu bezweifeln. Der Eindruck wird sich vertiefen, daß die USA tatsächlich die islamischen Staaten nicht als gleichberechtigt akzeptieren, keine Rücksicht auf sie nehmen, sondern sie unterdrücken. Das antiamerikanische Ressentiment wird sich weiter ausbreiten.

Kurz gesagt: Ein katastrophaler politischer Fehler?

So weit würde ich nicht gehen. In meinen Augen war es ein Fehler, das jetzt und mit diesen Zielen zu machen, statt sich zu überlegen, woher der Terrorismus nun eigentlich kommt, die Wurzeln bloßzulegen, die Politik zu ändern und damit die Sache in den Griff zu kriegen. Ich versetze mich andererseits in die Lage des US-Präsidenten, der auch nicht zwölf Amerikaner und Hunderte von Kenianern in die Luft sprengen lassen kann, ohne zu reagieren. Nur: Ich hätte mir eine andere Reaktion gewünscht. Interview: Bernd Pickert