In Australien wird Rassismus immer mehr salonfähig

■ Pauline Hanson und ihre Rechtspartei One Nation sind zum wichtigen Machtfaktor geworden

Sydney (taz) – Ihr Auftreten ist ein Alptraum für jeden Image-Berater: Die nasale Stimme krächzt, Zuhörer haben konstant den Eindruck, Pauline Hanson würde in Tränen ausbrechen. Ihre Wortwahl zeugt nicht von großer Intelligenz. Und doch – oder gerade deshalb – ist die rechtspopulistische ehemalige Bardame und Besitzerin eines Fish-and-Chips-Ladens zu einem wichtigen Machtfaktor in der australischen Politik geworden. Mitte Juni heimste die von ihr gegründete Partei One Nation im Bundesstaat Queensland 24 Prozent der Wählerstimmen ein. Die regierende Koalition aus Liberalen und der Nationalen hatte das Nachsehen.

Queensland war wie ein Weckruf für Premierminister John Howard. Im Vorfeld nationaler Wahlen von Panik ergriffen, begannen seine Parteifunktionäre endlich eine Gegenstrategie auszuarbeiten. Davor hatte in der Regierung die Philosophie gegolten, das „Phänomen Hanson“ verflüchtige sich von selbst. Die oppositionelle Labor Party dagegen sieht in der Frau mit den roten Haaren schon seit 1996 eine Gefahr.

Howard hatte genug Zeit zum Handeln gehabt. Als Hanson vor rund zwei Jahren als Unabhängige ins Repräsentantenhaus gewählt wurde, legte sie schon in ihrer Antrittsrede klar, wo sie politisch steht. Seither wettert sie in Turnhallen gegen die „privilegierten Ureinwohner“, eine scheinbar korrupte Wirtschaft, lobt die „guten, alten Zeiten“ der fünfziger Jahre und schimpft über Einwanderer aus Asien, die ihrer Meinung nach die anglo-keltische „australische Kultur und Tradition“ im Antipodenstaat zerstören.

Vor allem unter den bäuerlichen Zuhörern im Binnenland findet sie Anhänger. Von der Globalisierung überrumpelt, von den etablierten Parteien desillusioniert, applaudieren die Smith's und Jones' aus Broken Hill und Alice Springs, wenn Hanson als eine Art australische „Jeanne d'Arc“ neue Handelsschranken propagiert und „Nullwachstum“ für das staatliche Einwanderungsprogramm fordert. Denn Einwanderer würden den Australiern die Jobs wegnehmen. Was viele Hanson-Anhänger nicht sehen oder nicht sehen wollen, ist die Ideologie, die One Nation verbreitet. Das reaktionäre, antidemokratische Denken zeigt sich schon im Führungsstil der Partei: Hanson und ihre zwei Berater lassen jedes neue Mitglied eine Blanko-Austrittserklärung unterschreiben. Einzelne Sektionen dürfen keinen Kontakt miteinander aufnehmen. One Nation wurde zum Sammelbecken der Rechtsextremen.

Die Welle des „Hansonimus“, wie Politologen die Erscheinung nennen, hat schon viele Opfer gefordert. Die verbalen und tätlichen Übergriffe auf AustralierInnen asiatischer Abstammung und auf asiatische Touristen haben in den letzten zwei Jahren deutlich zugenommen. Im Alltag des multiethnischen Landes wird Rassismus immer mehr salonfähig. Die Entwicklung hat auch in den asiatischen Nachbarstaaten, den wichtigsten Exportpartnern Australiens, große Unruhe ausgelöst. In Asien haben schon mehrere Unternehmen ihre Zusammenarbeit mit australischen Firmen eingefroren. Das bisherige Schweigen Howards wurde als stille Akzeptanz der Hanson-Philosophie interpretiert. Doch statt Hanson unmißverständlich Paroli zu bieten, scheint sich Howard zumindest teilweise dem Trend nach rechts anzupassen. So legte er Pläne zur Privatisierung der staatlichen Telekommunikationsgesellschaft Telstra auf Eis, um kritische Stimmen auf dem Land zu befriedigen, wo der Koalitionspartner National-Partei Stimmen an One Nation verliert.

Für den Regierungschef wird es langsam eng. Laut Verfassung muß vor Mai 1999 gewählt werden. Glaubt man Umfragen, wird One Nation im Senat, wenn nicht gar im Repräsentantenhaus, das Zünglein an der Waage sein. Dann könnte kein Gesetz mehr ohne Zustimmung der Partei der Frustrierten verabschiedet werden. Urs Wälterlin