Hohe Entschädigungssummen gefordert

Münchner Rechtsanwalt will gegenüber der Deutschen Bank und der Dresdner Bank Milliardenforderungen von Holocaust-Opfern durchsetzen. Verweis auf jüngste Schweizer Erfolge  ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

Der Rechtsanwalt Michael Witti aus München, der etwa 1.500 Opfer des Holocaust oder deren Nachkommen vertritt, will – zusammen mit anderen Anwälten in Deutschland und den USA – gegen Deutsche Bank und Dresdner Bank juristisch vorgehen. Einzelklagen auf „angemessene Entschädigungen“ für die in der NS-Zeit von den beiden deutschen Großbanken um ihr Geld gebrachten Juden seien in Vorbereitung, sagte Witti gestern.

Die Größenordnung der Entschädigungsforderungen insgesamt: 18 Milliarden US-Dollar. Am Ende könnten das ein paar Dollar mehr, vielleicht 33 Millarden, oder auch ein paar Dollar weniger werden, spekulierte Witti mit Blick auf den Vergleich der Banken in der Schweiz mit den jüdischen Opferorganisationen. Die Schweizer Banken UBS und Credit Swiss Group hatten vor knapp zwei Wochen eine Entschädigung in Höhe von 1,25 Milliarden US- Dollar zugesagt. Vorangegangen waren mehr als zwei Jahre harter Auseinandersetzungen, die in Boykottdrohungen einzelner US- Staaten gegen die Schweiz gipfelten.

Warum sollen die deutschen Banken viele Milliarden Dollar mehr zahlen als UBS und Credit Swiss Group? Weil es mehr Geschädigte gebe, weil es sich um Einzelklagen handele, weil die Banken in Deutschland die eigentlichen „Profiteure der Arisierung“ gewesen seien, sagte Witti vor der Deutschen Bank und einem Pulk von Journalisten, Kameraleuten und Mikrophonträgern. Wenn er in seiner Kanzleifiliale in Tel Aviv den Namen „Deutsche Bank“ ausspreche, meldeten sich bei ihm Hunderte von Mandanten, erklärte Witti. Während der Pressekonferenz umtosten ihn Straßen- und Baulärm.

Der smarte junge Rechtsanwalt mit den langen Haaren und der randlosen Brille, der selbst bei 45 Grad in der Sonne das Jackett anbehielt und die Krawatte nicht lockerte, sprach von insgesamt 30.000 Anspruchsberechtigten. Von der Deutschen Bank forderte er freien Zugang zu allen Archiven, auch zu dem Privatarchiv von Ex-Vorstandschef Abs, das – testamentarisch verfügt – bis zum Jahre 2024 unter Verschluß bleiben soll. Umgehend müsse eine „tatsächlich unabhängige Untersuchungskommission“ eingerichtet werden, sagte der Rechtsanwalt.

Beim Gang mit Medientroß zur Dresdner Bank in der Nachbarschaft berichtete Witti, daß auch Klagen gegen Versicherungen in Deutschland und in Italien in Vorbereitung seien. Gegen Industrieunternehmen, die in der NS-Zeit Zwangsarbeiter beschäftigten, werde noch ermittelt. Hier würden die Anwälte der Opfer zunächst auf die Beschreitung des Klageweges verzichten und an die Einsicht der Unternehmen – Witti nannte VW, BMW und Porsche – appellieren. Es würden außergerichtliche Vergleiche angestrebt.

Vor der Dresdner Bank wartete dann die 86jährige Ruth Abraham, die den Holocaust überlebte, in der heißen Sonne. Von den anstürmenden Kameraleuten und Fotografen wurde die Frau an eine Häuserwand gedrückt. Witti drängte sich dazwischen. Frau Abraham, meinte er, habe das alles auf sich genommen, um das von ihrem Vater ersparte und von der Dresdner Bank nach der Deportation der Familie einbehaltene Geld zurückzubekommen. Die Banker aus dem Turm der Dresdner hasteten vorbei: Mittagspause.