Schwarz und Grün, in der Opposition vereint

■ In Essen wollen CDU und Grüne die Sozialdemokraten stürzen: „Nach 40 Jahren SPD-Alleinherrschaft ist es für viele Menschen undenkbar, nicht von der SPD regiert zu werden“

Essen (taz) – Ein ungewohnter Schulterschluß beherrscht die politische Diskussion in der größten Stadt des Ruhrgebietes. Die Essener Grünen und die CDU, beide in der Opposition, haben sich verbündet. „Um die absolute Herrschaft der SPD zu brechen“, wie der Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion, Wolfgang Reiniger, sagt. Die grüne Direktkandidatin für das Oberbürgermeisteramt, Doro Hermann, greift die SPD scharf an: „Die machen eine Politik nach dem Motto, die Stadt gehört uns.“ Im Mittelpunkt der Kritik: Gut zwölf Monate vor den Kommunalwahlen besetzen die Sozialdemokraten Planstellen in den städtischen Ämtern mit eigenen Leuten. Weil die Verträge bis zu sieben Jahren laufen, sind die Stellen nicht nur über die derzeitige, sondern auch über die kommende Legislaturperiode hinaus blockiert. Der letzte Fall in dieser Reihe betrifft die Position des Bau- und Planungsdezernenten, der in Kürze neu gewählt werden soll. Nachdem bekannt wurde, daß sich die SPD-Herren bereits auf den ehemaligen Oberhausener Planungsdezernenten Hans-Jürgen Best festgelegt haben, zog der grüne Kandidat Thomas Rommelspacher in der letzten Woche seine Kandidatur zurück. Zwar sei die Stelle ausgeschrieben worden, aber, so Rommelspacher in einem Brief an den Oberstadtdirektor, „die SPD-Fraktion hat sich schon vor den offiziellen Gesprächen mit den Bewerbern auf Herrn Best festgelegt“. Seine Kandidatur wäre demnach eine reine Farce.

Der SPD-Fraktionschef Willi Nowack gibt sich ungerührt von den Angriffen der Politkonkurrenz: „Grüne und CDU vegetieren nur so vor sich hin.“ Beide Parteien hätten personell und inhaltlich nichts vorzuweisen. Die Grünen- Politikerin Hermann reicht den Vorwurf an die SPD zurück. „Über inhaltliche Fragen wird in Essen nicht mehr geredet“, sagt sie. Vor wenigen Tagen hatte sogar eine langjährige SPD-Ratsfrau ihrer Partei den Rücken gekehrt und war zu den Grünen gewechselt. Ökologische Ziele seien in der SPD nicht mehr zu verwirklichen.

Das neue Bündnis zwischen den ungleichen Partnern hat zunächst nur ein gemeinsames Ziel. Die Grüne Hermann: „Es geht uns nur darum, die absolute Herrschaft der SPD zu brechen.“ Sie seien bereits jetzt damit an die Öffentlichkeit getreten, um den Diskussionsprozeß nach vorne zu treiben. „Nach 40 Jahren SPD-Alleinherrschaft ist es für viele Menschen in Essen undenkbar, nicht von der SPD regiert zu werden. Dies müssen wir langfristig ändern.“

Fraglich ist, ob die schwarz- grüne Zusammenarbeit auch über die Wahl hinaus hält und es womöglich zu einer Koalition kommt wie im benachbarten Mülheim. In den Reihen der Grünen gibt es durchaus Kritik an einem solchen Projekt. Der grüne Ratsherr Hans-Peter Leymann-Kurz etwa plädiert für wechselnde Mehrheiten, damit „die Sachfragen wieder im Vordergrund stehen“. CDU-Chef Reiniger jedenfalls will sich auch mit den grünen Stimmen zum Oberbürgermeister wählen lassen. David Schraven