In Lassing wird weiter gehofft

Rettungsmannschaften bohren sich zum „Dom“ im Bergwerk durch. Grubenwehr muß in 100 Meter Tiefe umkehren. Lebenszeichen der Verschütteten nicht bestätigt  ■ Von Ralf Leonhard

Wien (taz) – 16 Tage nach dem Grubenunglück in Lassing sind die Rettungsmannschaften gestern vormittag zu jenem unterirdischen Bunker durchgestoßen, in dem die zehn Verschütteten vermutet werden. Durch ein Druckventil wurde Luft in den sogenannten Dom eingepumpt, eine Minikamera wurde in die Tiefe gesenkt. Ein Techniker berichtete, Antwort auf die eigenen Klopfzeichen erhalten zu haben. Einsatzleiter Zechling wollte dies jedoch nicht bestätigen. Man wisse auch nicht, ob im Dom überhaupt eine Luftblase existiere. Trotzdem herrschte gestern noch Hoffnung, einen oder mehrere der seit dem 17. Juli Vermißten zu bergen.

Vier Mitglieder der deutschen Grubenwehr, die für die Rettungsaktionen über Tage zuständig sind, mußten unterdessen unverrichteter Dinge wieder an die Erdoberfläche zurückkehren, nachdem sie sich gegen 12 Uhr mit Strickleitern in die Tiefe gewagt hatten. Sie wollten über den sogenannten Wetterschacht eine Verbindung in den Dom suchen. 100 Meter unter Tage gab es dann kein Weiterkommen mehr. „Sohle acht ist nicht begehbar. Sie ist voll mit Wasser und Schlamm“, meldete der einheimische Bergmann Draxl, der die Deutschen begleitet hatte.

Wenn der Versatzschacht keine Gewißheit über das Schicksal der Verschütteten brächte, könnte sich ein Taucher auf den Weg machen. Grubenwehrchef Walter Hermühlheim meinte, dieser müsse ein Bergmann sein, der in der Lage ist, die im Wege liegenden Hindernisse, wie zum Beispiel Förderbänder, fachmännisch zu beseitigen.

Samstag kurz vor 21 Uhr hatte die Bohrung gestoppt werden müssen. Wenige Meter vor der angepeilten Tiefe von 130 Metern hatte sich der Meißel festgebissen. Durch Risse in der Wand war Geröllmaterial in den Schacht eingedrungen und hatte ihn verstopft. Wegen der Gefahr, daß der Bohrer abbricht und steckenbleibt, mußte die Bohrung für mehrere Stunden eingestellt werden. Der Bergungsschacht, Produkt einer Woche intensiver Arbeiten, wäre unbrauchbar geworden, erklärte Bohrexperte Waldemar Müller-Ruhe die für die bangenden Angehörigen unverständliche Entscheidung.

Immer neue Verzögerungen und das offensichtliche Chaos, das während der ersten Tage bei den Bergungsversuchen herrschte, haben die Bevölkerung der Ortschaft Lassing erbittert. Die Angehörigen und Freunde der Verschütteten verstehen nicht, warum nicht sofort genügend Gesteinsbohrer in Deutschland bestellt wurden. Einige Pannen wären durch größere Voraussicht vermeidbar gewesen. „Zählen Menschenleben nicht?“ fragten sie auf einem Transparent.

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