Konzert der Abflußröhren

■ Der Kulturladen Huchting bastelt und trötet für ein Wasser-Spektakel an der Ochtum

Ein soziokulturelles Biotop mitten im botanischen Biotop: Eine kleine Holzbrücke spannt sich über einen entsprechend kleinen Seerosenteich. Ein nicht weniger kleiner Haufen Kinder ist in seltsame Tätigkeiten versunken. Ganz langsam schiebt Philip ein Plastikrohr ins Wasser. Des Rohres Bestimmung war es einstmals Toilettengespültes oder Badewasser sicher und tropffrei zum vorbestimmten Platz zu geleiten. Doch weil es zu kurz geraten ist oder Mängel aufwies, landete es auf dem Recycelinghof. Dort fand es Claudius Joecke und errettete es vor dem trüben Schicksal des Verschreddertwerdens. Jetzt wird es von kleinen Kindern ins Wasser getaucht und erzeugt den Klang eines Frachtschiffs, das liebend gerne eine Orgelpfeife geworden wäre. Denn das Wasser verdrängt die Luft durch eine halbmondförmige Öffnung im Rohr. Je nach Länge, Dicke und Krümmungsgrad klingt das Frachtschiff mal depressiv, mal beschwingt, mal nebelverhangen. Deutlich unterscheidet sich dieses Musikinstrument von einer Stradivari. Es ist billig, schnell zu bauen, einfach zu bedienen und bedarf zum Spielen eines Gewässers. Zum Beispiel der Ochtum. Auf den Ochtumswiesen beim Grollander Krug wird am 19. September ein Konzert der Abflußrohre stattfinden. Wahrscheinlich wird es so klingen als blöke eine Herde von Didjeridoos mit einer Batterie von Alphörnern um die Wette. Aber so genau steht das noch nicht fest. Denn ein Musiker und ein extra für dieses Projekt angeheuerter BSHG 19-Bildhauer sind mit den Kindern noch schwer am Arbeiten.

Ein paar Stunden ehe Philipp den Seerosentümpel im liebevoll angelegten Garten des Bürger- und Sozialzentrums Huchting zum Tröten bringt, ging er auf große Exkursion. Eingeweihte des Naturschutzbundes NABU klärten ihn zwei Stunden lang auf über das Stechverhalten von Mücken und über die Namen der blühenden und quakenden Mitglieder der Flußcommunity der Ochtum. Besonders beeindruckt haben Philip die Kaulquappen. Je öfter er von ihnen berichtet, desto größer werden sie. In seiner dritten Erzählvariante sind sie so riesig wie Frösche. Bald werden es Elefanten sein. Zusammen mit den anderen Kindern hat Philip verschiedene Gräsersorten auf Papier geklebt und einen Käfer namens Zweipunktschnellspringer gezeichnet. Kunst und Lernen verschmelzen. Philips Oma war auch mit auf Naturerkundung. Sie hat die Neugierde der Kinder mit der Videokamera festgehalten. Auch dieser Film wird am 19. September zu sehen sein. Des weiteren gibt es eine Sinfonie der Wasserflaschen, Theater, schwimmende Bilder und schwimmende Riesentrommeln, alles ganz einfach gemacht. Denn eine gute Idee ersetzt großen Aufwand allemal: Dies zu lernen ist für Kinder vielleicht nicht das Schlechteste in Zeiten von teuren Rollerblades und komplizierten Computerspielen.

Aber nicht nur Kids sind beteiligt an Claudius Joeckes Projekt „Lebendige Ochtum“. Die Idee ist generationenübergreifend. Die Theatergruppe „Herbstzeitlose“ macht auch mit. Philips Oma ist auch hier dabei. Jede Menge Kultur blüht unter dem Dach des „Kulturladen Huchting“. Und neben dem Kulturladen gibt es im Bürger- Sozialzentrum Huchting noch 16 andere Initiativen und Vereine: Gute Voraussetzungen für ein multimediales, personenreiches Projekt wie die „Lebendige Ochtum“. Vielleicht beteiligen sich auch die Behinderten vom Martinshof statt tagaus tagein Lufthansabesteck zu verpacken oder Rückleuchten für Mercedes zu fabrizieren. In der Wirtschaft würde man von Synergieeffekten sprechen.

Schon seit Jahren setzt sich der Kulturladen mit dem Thema Wasser auseinander. Vor zwei Jahren inszenierte man am Sodenmattsee ein ökologisches Märchen. Dieses Mal findet das kleine „Spektakel“ im Rahmen eines größeren und längeren statt. Drei Jahre lang finden unter dem Titel „Flussland – Ein Kulturprojekt im Unterweserraum“ die verschiedensten kulturellen Aktionen statt. Auch der Kulturladen Pusdorf plant eine gattungsübergreifende Performance mit Wässerrädern, Wasserinstrumenten und Maskenspiel. Eine mysteriöse „mobile Ausstellung“ tourt schon seit Juni durch vier Ortschaften. Im September macht sie in Lemwerder halt.

Mit ihren lustigen Einfällen jenseits der tradititionellen Formen hoher Kunst kommt die Soziokultur an Menschen heran, die sich weder für geborene Schauspieler noch Musiker halten und den Weg von den Vorstädten ins Goetheplatztheater scheuen. Ob diese humanistische Idee heute noch auf Wiederhall stößt und genug Mitmacher und Zuschauer anzieht, wird man am 19. September sehen können. bk

Veranstalter von „Flussland“ ist die LAG Soziokultur Tel.: 6166162. Kulturladen Huchting Tel.: 570293