Ist der Mann doch die bessere Frau?

■ Im Heilbronner Arbeitsamt darf ein Mann zeigen, was er als Beauftragter für Frauenbelange kann. Einige Feministinnen sind sauer

Berlin (taz) – Warum, zum Teufel, will ein Mann Frauenbeauftragter werden? Und darf er das überhaupt? – Darf er nicht, meint die Frauenbeauftragte der Stadt Heilbronn, Anne Schilling. Darf er aber doch, sagt Otto Werner Schade, der Präsident des Landesarbeitsamts in Stuttgart. Im „Ländle“ ist ein Streit um einen jungen Mann entbrannt, der seit Mai im Heilbronner Arbeitsamt sitzt – als „Beauftragter für Frauenbelange“.

Markus Schmelcher ist 31 Jahre alt, verheiratet und Vater eines kleinen Sohnes. Nach sechs Jahren als Arbeitsberater im Heilbronner Arbeitsamt hat er sich dort zum „Beauftragten für Frauenbelange“ hochgearbeitet, bundesweit ist er auf diesem Posten der einzige Mann. „Ich habe die Qualifikation“, sagt Markus Schmelcher, „Frauenprobleme sind mir klar“ – eine Überzeugung, die Feministinnen wie Anne Schilling auf die Palme bringt. Nicht, weil sie an der Qualifikation Schmelchers zweifelt, sondern weil sie es prinzipiell als Hohn empfindet, daß ein Mann entscheiden soll, was für Frauen gut ist.

Seit Januar müssen alle 181 Arbeitsämter in Deutschland „Beauftragte für Frauenbelange“ bestellen. Personen also, die sich für Gleichberechtigung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt einsetzen, sei es bei Fragen der beruflichen Einstellung, des Aufstiegs oder Wiedereinstiegs. Nicht zu verwechseln mit den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, die mittlerweile fast alle Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern beschäftigen. Die „Beauftragten für Frauenbelange“ sollen Arbeitnehmerinnen beraten und informieren, aber auch konzeptionell an der beruflichen Gleichstellung von Mann und Frau arbeiten.

Ob es dazu nun eine Frau braucht oder auch ein Mann in Frage kommt, geht aus dem neuen Gesetz im Sozialgesetzbuch (SGB) nicht hervor. Paragraph 397 im SGB III ist geschlechtsneutral gehalten, darin ist nur von „Beauftragten für Frauenbelange“ im Plural die Rede. Anders in einer Broschüre, die seit neuestem bei den Arbeitsämtern ausliegt. Dort ist die Stelle eindeutig weiblich definiert.

Die Verantwortlichen in Stuttgart stehen zu ihrem Mann: Schmelcher sei neben den drei Bewerberinnen der qualifizierteste gewesen, sagt Renate Pfeifer vom Referat für Frauenbelange, „der wird das bestimmt gut machen“. Für 21 weitere Arbeitsämter in Baden-Württemberg wurden Frauen ausgewählt, zwei Stellen sind noch unbesetzt.

Die Diskussion um den Frauenbeauftragten von Heilbronn hat auch die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit auf den Plan gerufen. Von dem männlichen Amtskollegen ist die dortige Leiterin des Referats für Frauenbelange Ulrike Wenner geradezu begeistert. Männer seien ohnehin die „heimliche Zielgruppe der Frauenförderung“, sagt sie, Frauen bräuchten auch männliche Fürsprecher – Markus Schmelcher sei genau der richtige Kandidat.

Der Direktor des Heilbronner Arbeitsamts Norbert Kluftinger mag darüber keine Auskunft mehr geben. Vielleicht wird er das demnächst vor Gericht nachholen müssen: Der Personalrat des Arbeitsamts hat angekündigt, gegen den Mann für Frauenbelange zu klagen. Die Aussichten auf Erfolg sind gut. So wies das Landgericht Hamm in der vergangenen Woche zum wiederholten Mal die Entschädigungsklage eines Mannes ab, der sich vergeblich um die Stelle eines kommunalen Gleichstellungsbeauftragten beworben hatte. Das Berliner Landesarbeitsgericht ließ im Januar einen Mann abblitzen, der bei einer Partei Bundesfrauenreferent werden wollte. Die Begründungen fielen jeweils ähnlich aus: Frauen könnten dem anderen Geschlecht gegenüber nicht dasselbe Vertrauen aufbauen wie zu ihresgleichen, argumentierten die Richter. Und Männern fehle die Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit Frauen in feministischen Zusammenhängen.

In anderen Bundesländern scheint die Frage unstrittig. Männliche Frauenbeauftragte gibt es im hessischen Breusbach, im sächsischen Neukirch, im brandenburgischen Hohen Neuendorf sowie im Kreis Ohre in Sachsen-Anhalt. Allein in Baden-Württemberg sind die Kommunen nicht verpflichtet, Frauenbeauftragte zu bestellen.

Insofern zählt die Stadt Heilbronn sogar zu den Vorreitern. Seit 1991 kämpft Anne Schilling dort für Gleichberechtigung in der Kommune. Allein deswegen hat sie dem männlichen Kollegen vom Arbeitsamt den Kampf angesagt. Kennengelernt habe sie Markus Schmelcher bislang nicht, sagt Anne Schilling, persönlich habe sie auch nichts gegen ihn. Nur: „Ich kann absolut nicht nachvollziehen, warum er sich beworben hat.“ Heike Spannagel