■ Neue Drogenbekämpfungstaktik: Polizeiliche Einkaufsberatung
: Wo, bitte, geht's zum Coffeeshop?

Venlo (taz) – Marly Peters staunte nicht schlecht. Wo noch am Vorabend deutsche Drogentouristen und Kleindealer die Szene am Kaldenkerkerweg in Venlo beherrscht hatten, zeigte am Freitag letzter Woche die Staatsmacht tiefblaue Präsenz. „Auf ein Einschreiten der Polizei gegen den illegalen Drogenhandel hatten die Leute hier gar nicht mehr zu hoffen gewagt“, sagte Peters. Monatelang hätten sie und andere Anwohner sich bei der Polizei über das klandestine Treiben in der Nachbarschaft beschwert. Doch nichts geschah. Nicht zuletzt aus Angst vor Repressalien seitens der Drogenbarone gaben die Leute auf. Und nun diese Wende, diese Kriegserklärung an das Drogenmilieu, nur wenige hundert Meter von der deutschen Grenze entfernt.

Hoffnung, ja Euphorie erfaßte die braven Bürger der Stadt im Südosten Hollands. Aber – was taten da die Ordnungshüter, denen man gerade noch anerkennend auf die Schulter geklopft hatte? Sollte man sich verhört haben? Keineswegs: Venlos Polizei betätigt sich neuerdings als Einkaufsberater und zeigt interessierten Käufern von Haschisch und Marihuana den Weg zum nächsten Coffeeshop.

Ziel dieser auch in Holland einzigartigen Aktion ist trotz des liberalen Anstrichs die Kriminalitätsbekämpfung; an die 500 Straßendealer werden in Venlo jährlich hochgenommen. „Indem wir deutschen Drogentouristen den Einkauf in einem der fünf tolerierten Coffeeshops ans Herz legen, hoffen wir, die illegalen Händler am Kaldenkerkerweg auszuhungern“, erklärt Bert de Leeuw, der die Aktion der Venloer Polizei befehligt. Das Instrumentarium, auf das sich Justiz, Polizei und Stadtverwaltung dabei „im Prinzip“ geeinigt haben, umfaßt Fahrzeugkontrollen auf den Ausfallstraßen nach Deutschland, Razzien am Kaldenkerkerweg und eben die „Einweisung“ für Ortsunkundige. Hunderte kamen am Wochenende auf diese Weise mit Hilfe der Polizei zum ungestörten Drogenkauf.

Natürlich stieß die unorthodoxe Strategie nicht auf ungeteilte Zustimmung. Kaum war bekanntgeworden, daß Venlos Uniformierte den Fremdenverkehr dergestalt beflügelten, sahen sich die Stadtoberen genötigt, sie zurückzupfeifen. Und darauf hinzuweisen, daß der Verkauf von Rauschmitteln auch in den fünf „legalen“ Verkaufsstellen an Auflagen geknüpft sei. Nach wie vor sei auch im liberalen Holland der Handel mit Drogen strafbar. Der Verkauf in den „zuständigen gastronomischen Einrichtungen“ jedoch sei zugelassen – unter der Bedingung, daß ein Laden keine Werbung mache, nie mehr als 500 Gramm vorrätig habe und keinem Kunden mehr als 5 Gramm verkaufe.

Diesen Teilrückzug bezeichnete ein Mitarbeiter des Drogendezernats, der nicht namentlich genannt werden wollte, vorgestern als „scheinheilig“. Als ob nicht alle wüßten, daß es in Venlo eine große Nachfrage nach Haschisch und Marihuana gebe. „Als wir diese Konzessionen vergaben, haben wir damit signalisiert, daß der Staat Kauf und Verkauf von Rauschmitteln zwar als strafbare Handlung ansieht, die Sache im Prinzip aber toleriert. Da soll man jetzt nicht so tun, als ermutige die Polizei die Leute zu Straftaten, nur weil einzelne Polizisten einzelnen Kunden den Weg zeigen.“

Inzwischen haben sich Bürgermeister und Einsatzleitung darauf verständigt, daß die Polizei potentielle Kunden, die am Kaldenkerkerweg nach Dealern Ausschau halten, künftig nicht mehr automatisch „umleitet“. Zunächst gilt: Es gibt in Venlo keine Drogen zu kaufen. „Die Beamten sollten sich indes nicht auf diese Linie versteifen“, so Polizeisprecher Piet van Raaij. „Wenn jemand darauf beharrt zu wissen, ob man in Venlo Stoff kaufen kann, sollten wir ihm die Wahrheit sagen – und auch den Weg zeigen.“ Henk Raijer