Über 500 Castor-Gegnern drohen Strafen

Kreispolizeibehörde Borken leitet 395 Bußgeldverfahren und 118 Strafanzeigen gegen Atomkraftgegner ein, die vor dem Zwischenlager Ahaus auf die Gefahr von Castor-Transporten hingewiesen hatten  ■ Aus Bochum David Schraven

Castor-Transporte sind nicht sicher, das haben die in den vergangenen Wochen bekanntgewordenen Grenzwertüberschreitungen bewiesen. Nun soll Atomgegnern zum Verhängnis werden, daß sie schon gegen die Transporte demonstriert haben, als der Skandal noch nicht offiziell bestätigt war.

Die Kreispolizeibehörde Borken hat in den vergangenen Tagen bundesweit 395 Bußgeldverfahren und 118 Strafanzeigen gegen Atomkraftgegner eingeleitet, die im Frühjahr bei den Protesten gegen den Castor-Transport nach Ahaus (Kreis Borken) festgenommen wurden.

Sie sollen an verbotenen Demos beteiligt gewesen sein. Verfahren gegen Polizisten, die bei dem Einsatz straffällig geworden sein sollen, hatte das Innenministerium bereits im Mai eingestellt.

Felix Struwe von der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“ ist stinksauer. Alles, was sich an unwillkommenen Protest im CDU-regierten Kreis rühre, werde mit den maximalen Strafen belegt. Zu Beginn des Jahres sei ein Schüler zu 1.000 Mark Buße verknackt worden, weil er drei Anti-Castor-Plakate auf eine wilde Plakatfläche geklebt hatte.

Der grüne Landtagsabgeordnete Rüdiger Sabel schließt sich der Kritik an. Aufgrund der jetzt bekanntgewordenen Grenzwertüberschreitungen bei den Castor- Transporten sei es „absolut skandalös, nun die Atomkraftgegner, die auf diese Gefährdungen hingewiesen haben, finanziell heranzuziehen“.

Auch die rechtliche Basis für die Bußgeldbescheide scheint nicht gesichert zu sein. Zwar betonte die Kreisverwaltung, daß das Demo- Verbot in Ahaus juristisch korrekt war. Doch nach Ansicht des Münsteraner Rechtsanwaltes Wilhelm Achelpöhler hätte zunächst einmal geklärt werden müssen, ob das Verbot auch rechtmäßig war. Die Behörde beziehe sich lediglich auf das Ergebnis eines Eilverfahrens vor dem Amtsgericht. „Das besagte aber nur, daß die Demo-Verbote weder offensichtlich rechtmäßig noch offensichtlich rechtswidrig waren.“ Eine letztlich juristisch verbindliche Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht Münster steht aber immer noch aus. Und eher darf das Bußgeld auch nicht eingetrieben werden.

Die Verwaltung sieht das anders. Die Bußgeldbescheide gingen rechtzeitig zu Beginn der Ferien raus, sagte ein Sprecher. Damit solle gewährleistet werden, daß „jede Verjährung der Verfahren verhindert wird“. Immerhin geht es um viel Geld. Der Kreis als Nutznießer der Bußgelder kann bei erfolgreichem Eintreiben mit außerordentlichen Einnahmen von bis zu 160.000 Mark rechnen.