Alibireise im Auftrag der UNO nach Algerien

Sechs prominente Persönlichkeiten sollen in Algier die Lage der Menschenrechte begutachten. Doch von der dortigen Regierung gestellte Bedingungen machen eine seriöse Untersuchung der Lage schwierig  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Beobachten? Untersuchen? Der Auftrag der ersten UN-Mission, die heute unter Leitung des portugiesichen Ex-Präsidenten Mario Soares nach Algerien reist, wird in ihrem Namen nicht genannt. Algerische UNO-Diplomaten wie die UNO-Pressestelle beharren auf der Bezeichung: „Informationsreise einer Delegation von sechs wichtigen Persönlichkeiten“.

Laut UNO soll die algerische Regierung versichert haben, die Delegation könne ungehindert alle gewünschten Informationsquellen nutzen. Doch Algeriens Außenminister und seine Genfer Diplomaten machen eine wichtige Einschränkung: „Soweit die Quellen nicht außerhalb des juristischen Rahmens liegen.“ Mit Vertretern der Islamischen Heilsfront (FIS) oder anderen verbotenen Organisationen darf sich die UNO-Delegation also nicht treffen.

Die Reise ist das Ergebnis eines fast zehnmonatigen diplomatischen Gezerres. Nach den schweren Massakern an der Zivilbevölkerung im Herbst vergangenen Jahres forderten Menschenrechtsorganisationen eine Sondersitzung der UN-Menschenrechtskommission, die Ernennung eines Algerien-Sonderberichterstatters der Kommission und eine unabhängige internationale Untersuchung der Massaker. Doch obwohl sich auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, im Hintergrund für diese Forderungen einsetzte, blieben sie unerfüllt. Keiner der 53 Mitgliedsstaaten der Kommission ergriff eine entsprechende Initiative. Die Regierung in Algier verstand die Signale und weigert sich bis heute, zwei bereits im Herbst 1996 von der Kommission mit einer Algerien-Reise beauftragte Sonderberichterstatter ins Land zu lassen.

Daß die UNO-Mission viel zu wenig ist und viel zu spät kommt, wurde am Montag bei einer Sitzung des UN-Menschenrechtskommittees deutlich. Seine 18 Mitglieder forderten Algeriens Staatsführung auf, endlich eine unabhängige internationale Untersuchung der Massaker zuzulassen. Die Experten kritisierten „erhebliche Lücken“ in einem Bericht, den die Regierung in Algier mit dreijähriger Verspätung vorlegte. Und sie wiesen die Behauptung zurück, Algerien habe nur ein Terrorismus-Problem. Denn: Die Unfähigkeit des Staates, bedrohte Bürgerinnen und Brüger zu schützen, stelle einen gravierenden Verstoß gegen die Menschenrechte dar.

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