■ Vorschlag
: Halt, Popmusik: Neoangins Record- Release in der Galerie berlintokyo

Tizian des Techno, Pionier einer neuen Pop-art, Club-art-Fantomas, Keith Haring der Neunziger, Speedy Avignon, der schnellste Künstler Berlins, Deutschlands verrücktester Künstler usw. usf. Die Titel, die Jim Avignon schon verliehen bekommen hat, sind unzählbar. Sie klingen genauso gut, wie seine vielen Bilder in den Augen leuchten, und sie verweisen darauf, daß er und seine Kunst oft nur schwer zu fassen sind. Avignon jedenfalls will schnell sein, er schlägt ganz gern ein paar Haken, und er liebt es, auch die Verwertungsmechanismen von Pop auf die Kunstszene zu übertragen.

Fast logisch ist es da, daß Jim Avignon mit Neoangin selbst eine Band hat, ein Wohnzimmer-Unternehmen und Einmannprojekt, das live immerhin um einen weiteren Mitspieler verstärkt wird. Neoangin: Das klingt nach Angina-pectoris-Forschung, nach Herzinfarktprophylaxe – und die Synthie-Sounds, die Avignon mit Neoangin produziert, sind auch herzzerreißend einfach. Avignon sucht sich das Beste von dem heraus, was sein Synthezizer auf Knopfdruck hergibt. Einfach muß es sein, melodiös, easy, ohne negative Konnotationen. „Musik für Kinder“, hat er demzufolge sein erstes Album genannt, eine fröhlich-bunte Odyssee durch „20 pooky tracks to jump around, scream and kick against the fridge“.

Nachdem dieses in einer 1.000er-Auflage ohne große Werbetrommeln in Null Komma nix verkauft worden war, sorgt Avignon nun für Nachschub: „Musik für danach“ heißt das neueste Neoangin-Werk. Musik, die durchweht ist vom Pop- und Indie-Geist britischer Prägung, mit einer Titelgebung, die sich auch ein Dan Tracy von den TV Personalities in den Neunzigern nicht besser hätte ausdenken können: „Sorry mum, I can't talk, I'm in a meeting“.

Musik für danach genauso wie für zwischendurch, sie funktioniert nicht viel anders als Avignons bildende Kunst. Es braucht nicht viel, um sie zu entdecken, verstehen und zu genießen, ziemlich schnell verlangt es einen nach mehr. Nichts für die Ewigkeit, kein Aufwerfen von entscheidenden Fragen, kein Verlangen nach definitiven Antworten. Musik für den kurzen, glücklichen Augenblick, Popmusik halt. Gerrit Bartels

Record-Release, 23 Uhr, Galerie berlintoyko, Rosenthalerstr. 38