Samba, Bossa, Ententanz

Der „Brasilianische Sommer“ in der Fabrik zeigt die volle Bandbreite der Latin-Musik  ■ Von Christoph Twickel

Ronaldo & Co. sind im Finale, und schon sitzt er in den Startlöchern, der „3. Brasilianische Sommer“ in der Fabrik. Gutes Timing. Als hätten es die Programmacher geahnt. Denn bei kaum einer Fußball-WM zuvor wurde soviel brasilhaltiger Gefühlsstau produziert wie bei France '98. Egal, was sich wirklich auf dem Rasen abspielte, in den Augen der Kommentatoren waren die „Ballzauberer vom Zuckerhut“ (Bild) meist damit beschäftigt, das Leder zu „streicheln“ (Rubenbauer), als wäre das Fußballfeld eine einzige erogene Zone. Und obwohl auf spanisch gesungen, kommt Ricky Martins „La copa de la vida“, der offizielle WM-Hit, als lotrechte Umsetzung der Vorstellung von „Samba-Fußball“, wie sie im Kopf von Johannes B. Kerner existieren mag.

In diesem Assoziationsgewölle aus Übersteigern, Tempospiel und „heißen Rhythmen“ sind Banda Eva gut aufgehoben. Denn die bolzen, was das Zeug hält. Wer mit der Música Popular Brasileira immer noch den poetischen Geist, die zarten Beats und die verminderten Ackorde der 70er verbindet, trifft hier auf eine neue Pop-Generation, die in Brasilien Stückzahlen absetzt wie hierzulande die Kelly Family. Und die eine ähnliche Singalong-Inbrunst entfacht. Die Axé-Hits der Banda Eva klingen wie eine Mischung aus Ententanz, Miami Sound Machine und, naja, Samba. Das Gegenteil von elegant und damit der passende Stadionpop, um eine verschwitzte Siegesfeier zu antizipieren.

Vergleichsweise gediegen geht es bei Margareth Menezes zu, die 1990 mit ihrem ersten internationalen Album Elegibo und dem gleichnamigen Hit in den Himmel der Música Popular Brasileira katapultiert wurde. Der „Bahian Afro-Pop“, Menezes' Version des „tropicalismo“, pendelt irgendwo zwischen Bossa und Schunkelreggae. Falls sie jedoch, wie im vergangenen Jahr, ihre Stücke akustisch vorträgt, kommen auch Feingeister auf ihre Kosten. Kompromißlos auf den internationalen Markt hin konzipiert ist der Sound von Daúde. Koproduziert von Soul II Souls Will Mowat, wird die Lady mit einer Dancefloor-Version von Miriam Makebas Klassiker „Pata Pata“ ins Rennen geschickt. Hip-Hop heißt die Verpackung, mit der die Daúde einem Publikum jenseits des „Weltmusik“-Marktes nähergebracht werden soll. Unterhalb des fetten Publikumsschmelzes jedoch findet sich manches Kleinod, das zeigt, wie brasilianische Musik geschmackvoll zu Weltmarkt-Pop weiterverarbeitet werden kann.

Freunde traditioneller brasilianischer Kultur kommen eher auf ihre Kosten, wenn – wie in den Jahren zuvor – die Tanztruppe Capoeira do Brasil um Paulo Siqueira ihre halsbrecherische Performance gibt. Diesmal begleitet vom Pagode-Quintett um den Cavaquinho-Spieler Jacaré do Cavaco.

Banda Eva: heute. Margareth Menezes: 24. Juli. Capoeira Do Brazil: 25. Juli. Daúde: 30. Juli, jeweils 21 Uhr