Verquerer Exotismus

■ Die „gruppe demontage“ über den Mythos nationaler Befreiungsbewegungen

„Viele Linke denken bei Guerilla eher an Karl May als an Karl Marx.“ Die gruppe demontage denkt, daß das ein Problem ist. In ihrem heute auf einer Release-Party zu feiernden Buch Postfordistische Guerrilla – Vom Mythos nationaler Befreiungsbewegungen (Guerilla wird von der Gruppe durchgängig mit Doppel-r geschrieben, d. Red.) kritisiert sie das – oft solidarische – Verhältnis vieler deutscher Linker zu diesen Befreiungsbewegungen.

Die AutorInnen analysieren dazu sechs Guerillas ganz unterschiedlicher Gegenden: Mexiko, Korsika, Baskenland, Algerien, Nordirland und Kurdistan geraten in ihren informierten Blick. Für sie ist von Bedeutung, ob und wie die jeweiligen Bewegungen nach dem Ende der Sowjetunion auf das Entstehen des „postfordistischen“ Kapitalismus (gemeinhin als Globalisierung benannt) reagieren. Der gruppe demontage scheinen alle nationalistischen Ansätze auf dem Weg zu einer gerechteren Gesellschaft kontraproduktiv.

Deshalb haben sie auch kein Verständnis für die deutschen Solidaritätsbewegungen, die in verquerem Exotismus die Militanz der Guerillas für politische Radikalität halten. Radikalität zeige sich nur in einer Politik, die u.a. auch den Kampf gegen das Patriarchat aufnehme – was z.B. in Kurdistan nicht eben der Fall ist. Um auf eine revolutionäre Perspektive nicht verzichten zu müssen, demontiert die Gruppe so gängige linke Vorstellungen, die längst selbst konservativ sind. Für ihre differenzierte Kritik kommt ihnen zugute, daß ihre Gruppe ganz unterschiedlichen Kontexten entspringt: ehemalige Mitglieder aus dem Kommunistischen Bund, der Autonomen und Restlinke schreiben hier zusammen – und lassen so hoffen, daß das „linke Projekt“ nicht notwendig immer die gleichen Fehler macht.

Ole Frahm

gruppe demontage: „Postfordistische Guerrilla – Vom Mythos nationaler Befreiung“, Unrast-Verlag, Münster 1998. Release-Party: heute ab 21 Uhr, Ludwigstraße 8