US-Staaten boykottieren Schweizer Banken

■ New York und Kalifornien wollen 1,5 Milliarden Dollar Entschädigung für Holocaust-Opfer erzwingen. Schweizer Banken bieten bislang 600 Millionen an und drohen, gegen Boykottmaßnahmen zu klagen

Berlin (taz) – Der Versuch der größten Schweizer Banken, sich die Entschädigungsforderungen des Jüdischen Weltkongresses mit der Zahlung von insgesamt rund 600 Millionen US-Dollar vom Hals zu schaffen, ist vorerst gescheitert. Um höhere Entschädigungszahlungen für die Opfer des Holocaust zu erzwingen, haben die US-Bundesstaaten Kalifornien und New York sowie die Stadt New York Sanktionen gegen die drei größten Schweizer Banken angekündigt. Kaliforniens Finanzminister Matt Fong sagte am Mittwoch in New York, der Bundesstaat werde bis auf weiteres keine Geschäfte mehr mit Schweizer Banken tätigen. Er sei frustriert über die langwierigen Verhandlungen und hoffe, daß mit den Sanktionen jetzt wieder Bewegung in die Sache komme. Auch der Vorsitzende des Finanzdirektorengremiums, der New Yorker Finanzchef Alan G. Hevesi, kündigte an, noch am gestrigen Donnerstag bekanntzugeben, welche Art von Sanktionen die Stadt treffen wolle. Da sich die Haushaltsvorschriften in den US- amerikanischen Staaten und Städten stark unterscheiden, sind auch Umfang und Art möglicher Boykottmaßnahmen von Fall zu Fall verschieden.

Die Sanktionsentscheidung fiel einen Tag nach einer Sitzung eines Ausschusses von über 800 Finanzdirektoren von Bundesstaaten und Städten. Dabei hoben diese das „Sanktionsmoratorium“ auf, das sie im Dezember beschlossen und im März noch einmal verlängert hatten.

Die Schweizer Banken selbst reagierten verärgert auf den Beschluß des US-Ausschusses und kündigten ihrerseits an, eine Klage gegen die Boykottmaßnahmen zu erwägen. Die Sanktionen seien „ungerechtfertigt, kontraproduktiv und illegal“, erklärten Credit Suisse und UBS. Ulrich Pfister, Sprecher der Credit Suisse, drohte, auch das Angebot zur Zahlung von 600 Millionen Dollar könne nunmehr zurückgezogen werden. „Diese Extremisten, die nach Sanktionen gerufen haben“, müßten nun den Holocaust-Überlebenden erklären, warum noch immer kein fairer Vergleich zustande gekommen sei.

Mit dem „Extremisten“ dürfte insbesondere der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Edgar Bronfman, gemeint sein. Der hatte dem Vernehmen nach bei der Ausschußsitzung seine bisherige ablehnende Haltung gegenüber Sanktionen aufgegeben und den Banken vorgeworfen, für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich zu sein.

Der Streit um die Entschädigung ist somit nun auch öffentlich in eine Phase des Schacherns getreten. Denn weder bestreiten die beiden Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse die grundsätzliche Berechtigung der Entschädigungsforderungen, noch gibt es Streit über die Einrichtung eines „Gerechtigkeitsfonds“, aus dem die Opfer entschädigt werden sollen. Dazu hatten sich die Banken im März bereit erklärt, nachdem sie vorher lange darauf bestanden hatten, jeder einzelne Anspruch müsse detailliert nachgewiesen werden – was oft aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung der früheren Kontoinhaber gar nicht möglich war.

Inzwischen sind der Jüdische Weltkongreß und die US-Sammelkläger einerseits sowie die Schweizer Banken andererseits daher nur noch über eine Frage bis ins Mark zerstritten – die Summe. Während die Banken 600 Millionen Dollar zahlen wollen, verlangt die Gegenseite 1,5 Milliarden Dollar. An ihr sollen sich neben den Großbanken auch die Schweizer Regierung und die Schweizer Nationalbank beteiligen. Nur so könne die Schweiz ihrer Verantwortung für den Umgang mit Nazi- Raubgold wie auch mit nachrichtenlosen Konten gerecht werden. Die Schweizer Regierung hatte das allerdings stets abgelehnt.

US-Unterstaatssekretär Stuart Eizenstat mußte inzwischen zugeben, daß die von ihm moderierten Vergleichsverhandlungen wegen der Differenzen über die Summe festgefahren seien. Wie schon in der Vergangenheit sprach er sich dennoch gegen Boykottmaßnahmen lokaler oder bundesstaatlicher Behörden aus. Nicht nur seien diese nicht für außenpolitische Maßnahmen zuständig, auch würden Sanktionen die Positionen eher verhärten. Ebenso hat sich die US-Regierung wiederholt gegen Sanktionen ausgesprochen. Bernd Pickert