Sechs Jahre Knast für Magdeburger Skinhead-Überfall

■ 23jähriger aus der linken Szene fast zu Tode geprügelt. Der Anführer der Bande erhält die höchste Strafe. Zwei reuige Täter kommen glimpflich davon

Magdeburg (taz) – Sechs Monate nachdem vier Skinheads einen Jugendlichen aus der linken Szene fast zu Tode prügelten, sind drei Haupttäter gestern vom Magdeburger Landgericht zu Jugendstrafen von bis zu sechs Jahren verurteilt worden. Freispruch wegen Schuldunfähigkeit und Einweisung in die Psychiatrie gab es für den 16jährigen Enrico K., den Gutachter für schwachsinnig erklärten.

Das Opfer der Skinheads, der 23jährige Gordon G., war bei der Urteilsverkündung zugegen. Große Narben auf seinem bis auf einen Kamm rasierten Schädel zeugten von der ihm zugefügten Gewalt. Er wird lebenslang an den Folgen leiden. Als der Richter noch einmal den Tathergang schilderte, verließ Gordon G. zitternd und unter Tränen den Saal.

Die Skins hatten es ursprünglich nicht auf ihn, sondern auf seinen Freund Peter Böttcher abgesehen, einen Magdeburger Punk, dessen Bruder Frank im Februar 1997 von Rechtsradikalen erstochen wurde. Sie stürmten Peter Böttchers Wohnung, weil sie ihm „eine Lektion erteilen“ wollten, so der Vorsitzende Richter Kupfer. Der Überfall sei von langer Hand geplant gewesen. Da Peter Böttcher zufällig nicht zu Hause war, als die besoffenen Skins anrückten, erwischten sie seinen Freund Gordon: Mit stahlkappenbewehrten Springerstiefeln traten sie auf ihn ein und zertrümmerten ihm Gesicht und Schädel. Riechen und schmecken wird er nie wieder können.

Schuldbewußt zeigten sich nur zwei der Angeklagten. Sichtlich betreten nahm der 17jährige Daniel G. gestern die letzte Gelegenheit wahr, sich bei seinem Opfer zu entschuldigen. Er erhielt eine zweijährige Jugendstrafe; er hatte den Überfall organisiert und dem Opfer mindestens einen Tritt gegen den Kopf versetzt. Gordon G. hat nur die Entschuldigung des 21jährigen Marko G. akzeptiert. Der hatte zur Tatzeit mindestens 2,1 Promille Alkohol im Blut und zeigte im Prozeß aufrichtige Reue. Entsprechend milde fiel seine Strafe aus: zwei Jahre auf Bewährung.

Völlig uneinsichtig zeigte sich der 21jährige Andreas L., der Anführer der Bande. Im Prozeß hatte er es vorgezogen zu schweigen, bei der Urteilsverkündung verzog er keine Miene. Sechs Jahre Jugendstrafe erhielt er für versuchten vorsätzlichen Totschlag. Andreas L. hat laut Urteil von vornherein auf das Opfer eingetreten und habe ungerührt danebengestanden, als der 16jährige Enrico K. den Kopf des Opfers „wie einen Fußball“ behandelte.

Dieser saß während der Urteilsverkündung zappelnd auf der Anklagebank, ohne dem Richter Beachtung zu schenken. Schwachsinn und schwerwiegende Neurosen hatten ihm medizinische Gutachter bescheinigt. Enrico K. könne weder seine Verantwortung noch seine Schuld ermessen, befand der Richter, sprach ihn frei und verwies ihn in ein psychiatrisches Krankenhaus. Heilbar, so meinte eine Sozialarbeiterin am Rande, sei Enrico nicht. Aber zumindest könne er jetzt keinem mehr gefährlich werden. Heike Spannagel