Baggerdemo für Einheimische

Mittelständler des Berliner Baugewerbes skandieren „Vorrang für einheimische Beschäftigte“. IHK und Gewerkschaften warnen vor Fremdenfeindlichkeit  ■ Aus Berlin Hannes Koch

Sie versuchen das Hupen der Laster dicht neben ihnen zu ignorieren. Hastig und mit gesenktem Blick streben die Bauarbeiter mit dem osteuropäischen Akzent einem Zaun zu, hinter dem sie nach der Frühstückspause auf dem Postdamer Platz in Berlin weiter Betondecken für Daimler und Sony gießen. An ihnen vorbei rollen Stoßstange an Stoßstange Hunderte Bagger, Kieslastwagen und große Teermaschinen. Eine rein deutsche Demonstration, die unter anderem folgende Forderung für den Bau aufstellt: „Vorrang für einheimische Beschäftigte in der Krise“.

15 ostdeutsche Verbände der mittelständischen Bauwirtschaft brachten gestern in Berlin rund 650 Fahrzeuge auf die Straße, die kilometerweit die Fahrspuren ins Zentrum verstopften. Es kommt nicht oft vor, daß Unternehmer ihren Fuhrpark für Straßenblockaden zur Verfügung stellen. Aufgerufen von der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg, taten sie es, um gegen „Wettbewerbsverzerrungen durch ausländische Billiganbieter und Lohndumping“ zu protestieren.

Die Situation in der Hauptstadtregion ist extrem: Während Gebäude und Infrastruktur im Wert von rund 50 Milliarden Mark hochgezogen werden, sind im Berliner Bauhauptgewerbe nur noch 27.000 Arbeiter festangestellt – halb so viele wie 1991. Rund 40.000 Leute suchen eine Lohnarbeit. Ähnlich sieht es in ganz Ostdeutschland aus: Seit 1993 gingen rund 5.300 Baubetriebe in Konkurs, ein Viertel aller Firmen. Burkhard Wenkel von der Fachgemeinschaft und seine Unternehmerkollegen geben die Schuld vor allem großen Konzernen und ausländischen Subunternehmern, die die kleinen einheimischen Betriebe in den Bankrott konkurrieren.

Die Lagebeschreibung teilen auch der Verband der deutschen Bauindustrie, die Gewerkschaft Bau und die Berliner Industrie- und Handelskammer. Trotzdem warnten sie vor der Teilnahme an der Demonstration. IHK-Sprecher Egbert Steinke begründete seine Ablehnung: Der „Vorrang für Einheimische“ könne allzu leicht „als Ausländerfeindlichkeit mißverstanden werden“.

Die Fachgemeinschaft wandelt auf einem schmalen Grat: Einerseits fordert man die soziale Eingrenzung der Marktwirtschaft: „Erst ein einheitliches Tarifrecht für alle, dann Europa.“ Dann wiederum macht man Stimmung gegen „Illegale“, „Schwarzarbeiter“ und „billige EU-Arbeiter“ – eine Rhethrik, die leicht den latenten Zorn der Bauarbeiter hochkochen läßt und ihn verstärkt.

So auch gestern: Mehrmals wurde der Chef der Fachgemeinschaft, Kaspar-Dietrich Freymuth, durch wütende Rufe unterbrochen. „Wir müssen das selbst in die Hand nehmen“, schrie ein Mittfünfziger – und meinte, man solle die ausländischen Kollegen, die für 12 Mark statt für 27 arbeiten, von den Baustellen verscheuchen. „Das wollen wir gerade nicht“, versuchte Freymuth zu kanalisieren. Er hofft lieber auf die Bundestagswahlen. Bernd Görs, Blitzschutzmonteur aus Berlin, freilich prognostiziert: „Wahlzeit ist Abkotzzeit.“ Sachsen-Anhalt und der Wahlerfolg der rechtsextremen DVU ließen grüßen. „Die Politiker hobeln sich die Demokratie selbst weg.“ Er selbst allerdings wähle die PDS. Unweit von Görs hält ein Kollege sein Schild hoch: „Die Politik braucht einen zweiten 17.Juni.“