Die SPD steht vor der großen Wasserschlacht

Diskussion: Sollen nach der Bewag und der Gasag jetzt auch noch die landeseigenen Wasserbetriebe privatisiert werden? CDU-Wirtschaftssenator Elmar Pieroth sagt: „Ja.“ Die Gründung einer Aktienholding und der Verkauf von Anteilen brächten dem Land nämlich zwei Milliarden Mark. Außerdem gewinne das Unternehmen einen starken Partner für die internationale Expansion besonders in Osteuropa.

„Nein“, sagen dagegen die bündnisgrünen Abgeordneten Hartwig Berger und Vollrad Kuhn. Sie befürchten, daß die Privatinvestoren die Wasserpreise erhöhen, Personal reduzieren und die Wasserqualität herabsetzen werden. Ohne diese Maßnahmen lasse sich kein ausreichender Gewinn erzielen – für die Geldgeber der wichtigste Grund ihrer Beteiligung. Die Grünen argumentieren ferner, daß der geplante Verkauf einer Hälfte der Aktien nur der Beginn einer späteren, vollständigen Privatisierung wäre. Die ablehnende Haltung der Bündnisgrünen teilt auch die Gewerkschaft ÖTV.

Die SPD muß sich nun entscheiden. Bei ihrem Landesparteitag am 6. Juli stehen die beiden Positionen zur Abstimmung. Die sozialdemokratische Fraktion im Abgeordnetenhaus braucht die Einwilligung der Parteibasis, um dem von Pieroth und den Wasserbetrieben vorgeschlagenen Holding-Modell zustimmen zu können. Bisher plädiert die Partei dafür, den Einfluß großer Konzerne auf die Wasserwerke möglichst gering zu halten.

Die SPD-Fraktion hat sich am vergangenen Freitag nach langen Diskussionen durchgerungen, das Holding-Modell zu unterstützen – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. So sollen 49 Prozent der Wasseraktien nicht an einen Privatinvestor, sondern an mindestens zwei Unternehmen verkauft werden, um deren Einflußmöglichkeiten einzuschränken. Außerdem plädiert die Fraktion dafür, auch der Belegschaft und den EinwohnerInnen der Stadt Anteile an dem heutigen Staatsunternehmen anzubieten.

Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) sind ein wichtiger wirtschaftlicher Kern Berlins. Das vielfach bekundete internationale Interesse an dem Unternehmen unterstreicht dies: Bewerber geben sich bei uns die Klinke in die Hand. Für die Zukunft der BWB wollen wir daher eine Rechtsreform, die entscheidend zur Weiterentwicklung des Unternehmens und zur stärkeren Positionierung in der Zukunftsbranche „Wasser“ beiträgt sowie zwei Milliarden Mark für den Landeshaushalt erbringt.

Folgende Ziele stehen im Vordergrund:

– die weitere Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der BWB beim Kerngeschäft und damit Sicherung eines langfristig stabilen Wasserpreises;

– ein umfassendes strategisches Konzept für ihre Tochterunternehmen, weil nur so langfristig die Arbeitsplätze in dem Unternehmen gesichert werden können;

– Ausweitung der internationalen Aktivitäten der BWB vornehmlich bei den Privatisierungsentwicklungen in anderen Staaten.

In der anderthalbjährigen Diskussion haben wir uns im wesentlichen auf drei Rechtsformen konzentriert: das sogenannte Betreibermodell, ein Holdingmodell und ein von den Arbeitnehmern vorgeschlagenes integriertes Konzessionsmodell. Letzterer Vorschlag stellt keine unternehmerische Verstärkung dar, sondern lediglich einen rechtlich zweifelhaften Mittelzufluß an den Landeshaushalt.

Das Betreibermodell bedeutet im Prinzip, daß die Betriebsführung des Kerngeschäftes zu 100 Prozent auf einen Brancheninvestor übergeht, während Anlagen und Personal nominell bei der Anstalt öffentlichen Rechts bleiben. Mit diesem Modell würde zwar ein hoher Mittelzufluß an das Land erzielt, aber die starke Kompetenz im Kerngeschäft der BWB ginge vollständig auf ein anderes Unternehmen über. Außerdem bedarf es hier einer Arbeitnehmerüberlassung an die Betreibergesellschaft, die erheblichen Widerstand der Beschäftigten erwarten läßt.

Bei einem Holdingmodell ähnlich wie bei der Bankgesellschaft Berlin bleibt die Anstalt öffentlichen Rechts für das Kerngeschäft Wasser/Abwasser erhalten, während die Wettbewerbsgeschäftsfelder einschließlich der internationalen Aktivitäten in einer parallel organisierten Wettbewerbs-AG geführt werden. Eine darüberliegende Steuerungsholding ermöglicht Berlin unternehmerischen Einfluß auf das Kerngeschäft und die Wettbewerbsaktivitäten. Eine Veräußerung von unter 50 Prozent der Holdinganteile an einen Branchenpartner, einen strategischen Investor oder auch einen Finanzanleger eröffnet sowohl die Möglichkeit einer konsequenten Weiterentwicklung des Konzerns wie auch eines entsprechenden Mittelzuflusses an das Land. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, Einnahmen durch die Tochtergesellschaften zu erzielen.

Das Holdingmodell, das auch Argumente der Arbeitnehmerseite aufnimmt, entspricht daher am ehesten den Interessen Berlins, weil es insbesondere sowohl den haushaltsbezogenen wie auch den wirtschaftspolitischen Zielsetzungen gerecht wird und durch die langfristige Stärkung des Konzerns am Standort Berlin auch zukünftig Einnahmeeffekte für den Landeshaushalt sichern wird. Elmar Pieroth

Fliegender Fisch oder eierlegende Sau: So bewerten wir den jüngsten Vorstoß der SPD-Spitze zur Umgestaltung der Berliner Wasserbetriebe (BWB). Um die Haushaltsdefizite zu mildern, soll das Dachgeschoß des Unternehmens privatisiert werden, die Wasserver- und –entsorgung hingegen in kommunaler Hand verbleiben. Die Aktien der neuen Holding sollen zu 39 Prozent an zwei Kapitalgeber, zu je 5 Prozent an Kunden und Beschäftigte verkauft werden. Zwei Milliarden Mark erhofft man sich aus diesem Geschäft. Das vorgeschlagene Konstrukt wird scheitern. Wenn Kapitalgeber Anteile der BWB erwerben, dann erwarten sie eine Dividende; zum anderen können sie – wie Lyonnaise des Eaux – das Interesse haben, die BWB als Türöffner für weltweiten Machtzuwachs zu nutzen.

Beide Absichten sind mit dem SPD-Vorschlag nicht zu verwirklichen. In lobenswert antimonopolistischer Haltung soll der Anteil der Großen auf 25 Prozent beziehungsweise 14 Prozent der Aktien beschränkt werden. Da der Einfluß der Käufer sehr beschränkt wird, dürfte ihr Geschäftsinteresse entsprechend abkühlen. Es sei denn, sie haben Geduld und warten ab, bis Berlin unter dem Griff der Pleitegeier neue Einnahmequellen sucht. Auch die Gasag wurde in zwei Schritten verkauft: 48 Prozent 1993, der Rest zu Jahresbeginn. Das Bewag-Geschäft verlief ähnlich. Die Salamitaktik der Privatisierung ist Böger und Fugmann-Heesing nicht fremd.

Welchen Sinn macht der Umbau von „Berlin-Wasser“ in eine AG überhaupt? Neue Eigentümer können ihre Dividende nur aus den Taschen der GebührenzahlerInnen erwirtschaften. Wer also die Wasserbetriebe in eine AG verwandelt, läßt damit zu, daß die Gebühren deutlich über den Aufwendungen des Betriebs liegen. Die Einführung des Gewinnprinzips wird durch höhere Wasserpreise, weniger Wasserwerker und weniger Umweltschutz bezahlt: keine Privatisierung zum Nulltarif.

Es ist falsch, die kommunale Wasserwirtschaft nach dem Gewinnprinzip zu regeln. Die Selbstverwaltung der Städte ist im 19. Jahrhundert wesentlich mit der Aufgabe entstanden, trinkbares Wasser zu liefern und Abwasser zu entsorgen. Diese Aufgabe der Daseinsvorsorge sollten wir nicht dem Markt überlassen. Wenn in England Armen das Wasser abgestellt wird, wenn in Frankreich Verbraucherboykotts gegen überhöhte Preise und schlechtere Umweltqualität organisiert werden, so sind das die Schattenseiten der Privatisierung. Derartige Fehler würden wir in Deutschland verschlimmern, da es hier keine Regulierungsbehörde wie in England gibt.

Wenn ein Beitrag der Wasserbetriebe zur Senkung des Haushaltsdefizits unumgänglich ist, schlagen wir vor, daß Berlin mit ihnen einen Konzessionsvertrag für 25 Jahre abschließt. Wenn die vereinbarte Abgabe als einmalige Zahlung entrichtet wird, kann die Stadt kurzfristig zwei Milliarden Mark einnehmen. Als Gegenleistung sollte Berlin dem Betrieb garantieren, daß ihm später nicht weiter in die Tasche gegriffen wird. Daß wegen notwendiger Kapitalaufnahmen die Wasserpreise dann ebenfalls steigen, können wir nicht ausschließen. Aber die Stadt hätte ihre eigene Wasserwirtschaft nicht aufgegeben. Hartwig Berger, Vollrad Kuhn