DGB-Chef glaubt, den „Politikwechsel zu schaffen“

■ Gewerkschaftskongreß stimmt erst im dritten Anlauf für Berlin-Umzug. Kritik an Regierung

Düsseldorf (taz) – Zum Abschluß des fünftägigen Bundeskongresses des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hat DGB-Chef Dieter Schulte gestern zu einem verstärkten Kampf für eine andere Politik in Bonn aufgerufen. „Wir können diesen Politikwechsel schaffen“, rief Schulte den knapp 400 Delegierten zu. Deutschland brauche eine „neue Politik, eine Politik, die Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ schaffe. Dafür müßten sich alle Gewerkschafter „einsetzen, davon müssen wir möglichst viele Menschen überzeugen“, sagte Schulte wörtlich.

In einem Leitantrag verlangte der DGB-Kongreß von der neugewählten Regierung innerhalb von 100 Tagen die Einschnitte beim Streikparagraphen 116, Schlechtwettergeld, Kündigungsschutz und bei der Lohnfortzahlung zurückzunehmen. Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) lehnte diese Forderungen als „unannehmbar“ ab.

Die Arbeitslosigkeit ist nach Auffassung des DGB die Folge einer „falschen Politik“, für die „zuallererst die Bundesregierung“ verantwortlich sei. In Sachen Arbeitszeit will der DGB zunächst die „35-Stunden-Woche für alle“ erreichen. Danach, so der Leitantrag, „sind weitere Schritte mit der Perspektive der 32- bzw. 30-Stunden-Woche vorzusehen“.

Für große Verwirrung sorgten die Beschlüsse zum Umzug der DGB-Zentrale von Düsseldorf nach Berlin. Der Versuch der Gewerkschaftsführung, auf dem Kongreß die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit zu erreichen, scheiterte gleich zweimal. Zuletzt aber wurde der Umzug doch noch politisch beschlossen. Dabei diente ein Antrag der IG Metall als Krücke, um den „Sieg der Provinz“ gegen Berlin, so DGB-Sprecher Hans-Jürgen Arlt, wenigstens ein bißchen zu heilen. Ursprünglich war der Antrag der Metaller nur als Material zum Leitantrag gedacht. Nach den beiden Abstimmungsniederlagen verwandelte ihn die Kongreßregie in einen ordentlichen Beschluß – auf einmal fand der Umzug eine breite Mehrheit unter den Delegierten.

Laut seiner Satzung residiert der Gewerkschaftsbund zwar weiter in Düsseldorf, gleichzeitig soll der Berlin-Umzug „umgehend geplant und durchgeführt“ werden. Die dafür notwendige Satzungsänderung kann allerdings nur ein neuer DGB-Kongreß fällen. Turnusgemäß findet der alle vier Jahre statt. Wahrscheinlicher ist, daß die Revision auf einem Sonderkongreß in etwa zwei Jahren noch einmal versucht wird. Stinksauer über diese Entwicklung ist vor allem der DGB-Betriebsrat, der noch während des Kongresses alle Register der Protestkultur gezogen hatte, um den Umzug zu vermeiden. Walter Jakobs