DGB ist für Kohl ein Jungbrunnen

■ Bundeskanzler Helmut Kohl geht auf dem DGB-Kongreß mit Funktionären ins Gericht. Die Kritik an ihm sporne ihn nur an. Delegierte bringen Umzug der DGB-Zentrale nach Berlin zu Fall

Düsseldorf (taz) – Draußen, vor dem Düsseldorfer Kongreß-Zentrum, hatten junge Gewerkschaftsaktivisten ein Kohl-Double schon in Pension geschickt. Drinnen empfahl unterdessen der wahre Kanzler Helmut Kohl den Protestlern, bei den „viel besseren Adressaten“, den SPD-Ministerpräsidenten Clement, Schröder oder Lafontaine, zu demonstrieren. In deren Ländern sei die Jugendarbeitslosigkeit fast doppelt so hoch wie in Bayern oder in Baden- Württemberg.

Und dann ging Kohl die vor ihm sitzende Gewerkschaftsgarde direkt an. Wer „in so einseitiger Weise“ wie der DGB Position im Wahlkampf beziehe, der verletze die Prinzipien der Einheitsgewerkschaft. Daß der DGB den Pfad der „parteipolitischen Unabhängigkeit“ so offensichtlich aufgegeben habe, sei „keine glückliche Entwicklung“. Ihn selbst sporne die Kritik im übrigen nur noch zu größerem Engagement an. Wenn etwa IG-Metall-Chef Klaus Zwickel vom Ende der Ära Kohl spreche, „dann ist das für mich wie eine Spritze, die mich besonders motiviert“, sagte Kohl unter dem Gelächter der Gewerkschafter.

Der wirtschaftliche Erfolg in Deutschland sei in den vergangenen Jahrzehnten nur durch die Gemeinsamkeit der tragenden gesellschaftlichen Kräfte möglich geworden. Dazu habe die Einheitsgewerkschaft viel beigetragen. Diese Tradition gelte es auch künftig zu bewahren.

Zuvor hatte DGB-Chef Schulte in seiner Grundsatzrede erneut für einen „Politikwechsel“ in Deutschland getrommelt. Dabei dürften sich die Gewerkschaften aber „nicht allein“ auf die Bundestagswahl konzentrieren, denn die neue Regierung werde – „gleich wer gewinnt“ – die „alten Probleme“ erben. Schulte selbst will „eine neue Arbeitszeitinitiative“ starten und zu einem arbeitszeitpolitischen Kongreß im nächsten Jahr einladen. Ohne umfassende Arbeitszeitverkürzungen werde man die Vollbeschäftigung „nie und nimmer erreichen“. Für eine Sensation hatten die knapp 400 Delegierten am späten Dienstagabend gesorgt. Der Antrag, die DGB-Zentrale vom Rhein an die Spree zu verlagern, fand nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Nur 205 Delegierte (264 wären notwendig gewesen) stimmten für den Umzug nach Berlin. Während DGB-Pressesprecher Hans-Jürgen Arlt das Votum als einen „Sieg der Provinz“ geißelte, sprach der DGB-Betriebsratsvorsitzende Georg Faupel „von Freudentränen“ bei den DGB-Beschäftigten. Die Gewerkschaftsspitze will nun offenbar auf einem Sonderkongreß in etwa zwei Jahren die Satzungsänderung erneut zur Abstimmung stellen. Walter Jakobs