■ NRW: Clement löst das eigenständige Frauenministerium auf
: Rolle rückwärts in die 70er Jahre

„Dat is Tittensozialismus.“ Die SPD-Genossen in NRW hatten Schaum vor dem Mund, als Ende der 80er Jahre die Frauenquote kam. Die Proletarier und Patriarchen sahen ihre Felle davonschwimmen, als die Partei sich den Themen der Zeit öffnete: Frauen, Umwelt und Frieden. Deshalb bekam Nordrhein-Westfalen sogar ein eigenständiges Frauenministerium.

Gestern hat Clement sein neues Kabinett vorgestellt. Seither existiert nur noch in Sachsen ein Frauenministerium. In NRW gibt es eine neue Ministerin, Birgit Fischer, und ein neues Ministerium, zuständig für Frauen, Familie und Gesundheit. Das Ministerium solle damit aufgewertet werden, so die Begründung. Damit liegt Clement im Trend der neuen Zeit. In diesen Trend gehört das schnelle und lautlose Auflösen der Frauenministerien. Es begann 1993 in Schleswig- Holstein und endete dieses Jahr erst mal bei Gerhard Schröder in Niedersachsen. Überall schlug die SPD das Frauenministerium anderen Ressorts zu. So würde das Ministerium mehr Macht bekommen, hieß es. Denn es sei ja nicht mehr nur für Frauen zuständig, sondern auch noch für was Richtiges.

Das hört man gern. Denn viel Macht hatten die Frauenministerinnen ja nicht. Wer erinnert sich schon an die erste: Gisela Börk in Schleswig-Holstein? Wer kennt die Dienstälteste? Das war Ilse Ridder-Melchers in NRW. Die, die jetzt ihren Job los ist.

Dabei hat sie diesen Job gut gemacht. So gut, wie es eben geht. Denn Frauenministerinnen haben nirgendwo bewirkt, daß auch Ressorts wie Finanzen, Wirtschaft, Verkehr weibliche Interessen berücksichtigen. Die Ministerinnen wurden isoliert. Wo entschieden wurde, waren sie nicht dabei. Aber das will auch die SPD gar nicht ändern. Schröder, Clement & Co. interessiert Frauenpolitik nicht die Bohne. Sie interessiert nur eins: die Bundestagswahl. Daß Frauenpolitik aufgewertet würde, wenn sie in einem anderen Ressort verschwindet, ist glatt gelogen. Seltsam, daß niemand dagegen protestiert.

Denn es geht um mehr als um ein Frauenministerium. Daß Ilse Ridder-Melchers abgesetzt wurde, ist ein Symbol. In der Schröder-SPD haben die „postmaterialistischen“ Themen, Frauen, Umwelt und Frieden ausgedient. Zehn Jahre nach ihrem Sündenfall in den „Tittensozialismus“ ist die SPD wieder bei den sogenannten harten Themen angekommen: Standort Deutschland und Arbeit, Arbeit, Arbeit. Darin unterscheidet sie sich kaum von der Regierung, die sie ablösen will. Die Wählerinnen sollten dies im September zu würdigen wissen. Karin Gabbert