Hauptstadt-FDP nimmt über 600 Studenten auf

■ Dennoch scheint die Parteiübernahme abgewehrt. 2.555 Studierende wollten FDP kapern: 1.200 sind nicht mehr erreichbar, 400 nicht liberal genug – der Rest ist sauer oder spielt FDP

Berlin (taz) – „Mir platzt gleich 'ne Arterie“, sagt Enrico Rudolph, als die Pressekonferenz der Berliner FDP zu Ende ist. Nur 600 von 2.555 Studierenden, die einen Antrag zur Aufnahme in die FDP gestellt hatten, wurden in die Partei aufgenommen. „Das Projekt Absolute Mehrheit (PAM) ist gescheitert“, verkündete der Berliner FDP-Chef Rolf-Peter Lange. Eine Feststellung, die dem Studenten und frischgebackenen FDP- Mitglied Enrico Rudolph die Adern schwellen läßt. Immerhin haben die Studierenden in fünf Parteibezirken die absolute Mehrheit erobert.

Wutenbrannt hatte Enrico Rudolph bereits während der Pressekonferenz „seinem“ Landesvorsitzenden Rolf-Peter Lange die Leviten gelesen. Mogeleien bei den Aufnahmeverfahren der Studierenden hat er den Berliner Liberalen vorgeworfen. Der Ortsbezirk Neukölln-Nord habe 110 Antragsteller vier Monate lang hingehalten. In Steglitz-Süd habe man die Hälfte der Studierenden ohne ersichtlichen Grund abgelehnt. Und überhaupt sei die Aufnahmeprozedur durch Einzelgespräche absichtlich erschwert worden. Wie berichtet, mußten die studentischen Bewerber ein dreistufiges Verfahren mit „Liberalitätstest“ durchlaufen.

Rund 3.300 Mitglieder hat die Berliner FDP inzwischen – fast jeder fünfte ist damit Student. „Genau das brauchen wir“, meint der FDP-Chef. Er verspricht sich neue Impulse und auch Kritik von den Neu-FDPlern. Schon jetzt würden viele der Studierenden in den Ortsverbänden und Fachauschüssen konstruktiv mitarbeiten.

„Wir haben um jedes einzelne Mitglied gekämpft“, versichert Lange. Es sei der Partei nicht gelungen, zu 1.200 Antragstellern Kontakt herzustellen. 440 Studierende habe man außerdem ablehnen müssen. Weil sie nicht mit den Grundsätzen der FDP einverstanden waren, nicht öffentlich für die Partei werben oder den Mindestbeitrag (12 bis 15 Mark monatlich) nicht zahlen wollten.

Das sehen die vermeintlichen Parteikaperer anders. „Da Studenten kein klassisches Wählerpotential darstellen, haben die Parteien häufig kein Interesse daran, sie partizipieren zu lassen“, heißt es in einem Papier, das sie zur Pressekonferenz mitgebracht hatten. Die Pressemitteilung des Landesvorstands nehmen sie als Kriegserklärung. „Das wird uns um so mehr anspornen, die Partei umzukrempeln“, sagt Enrico Rudolph. Nicht nur in den Bezirken Friedrichshain, Prenzlauer Berg, Wilmersdorf-Mitte und Tiergarten seien die PAM-Leute am Ruder, überzeugen würden sie auch in Bezirken, in denen sie nicht die absolute Mehrheit innehätten. Es ginge nun darum, eine gemeinsame Linie zu fahren, meint Rudolph.

Gelegenheit zum Mitreden sollen sie bereits am 6. Juni bekommen: bei einem Bildungsforum der Berliner FDP. Dort wollen die gestandenen Parteimitglieder mit den Parteifrischlingen Themen wie Finanzierung der Bildung, effiziente Organisation von Hochschulen und Arbeitsmarktorientierung besprechen. Und wenn es nach Rolf-Peter Lange geht, sollen sie auch lernen, wie man als Parteimitglied in der Öffentlichkeit auftritt: „Wir wollen nämlich keine Partei in der Partei.“ Heike Spannagel