Zur Person
: Keine Gleichstellung

■ Recht auf Elternurlaub nicht umgesetzt

Vor zwei Jahren beschloß die Europäische Union die Einführung eines dreimonatigen Urlaubs für Eltern von Kindern unter acht Jahren. Spätestens heute sollte der Beschluß auf nationaler Ebene umgesetzt sein. In Deutschland ist dies nicht passiert. Wir sprachen darüber mit Karin Jöns (SPD), Bremer Mitglied im Beschäftigungs- und Sozialausschuß des Europaparlaments.

taz: In der Bundesrepublik wurden die europäischen Beschlüsse zum Elternurlaub nicht umgesetzt. Sind Bremer jetzt gegenüber anderen europäischen Eltern benachteiligt?

Karin Jöns, Europaabgeordnete: Ich habe jetzt eine Anfrage an die Europäische Kommission gemacht, ob die Beschlüsse in den anderen Ländern umgesetzt wurden. In den skandinavischen Ländern wird Elternurlaub sogar bezahlt.

Und wo sind die EU-Richtlinien schon nationales Recht?

In Belgien. Die hatten vorher gar keine Regelung.

In Deutschland gibt es diese ja. Nicht nur für drei Monate, sondern sogar für drei Jahre Erziehungsurlaub. Worin besteht denn das Fortschrittliche der EU-Regelung?

Natürlich würden bei einer Einführung der EU-Regelung alle deutschen Gesetze, die darüber hinausgehen, bestehen bleiben. Hinzu käme jetzt aber ein individueller Anspruch...

...individuell?

Das heißt, Vater und Mutter haben unabhängig voneinander Urlaubsanspruch. Die deutsche Elternurlaubsregelung gilt ja nur, wenn beide berufstätig sind. Außerdem gilt die Regelung nicht nur für die ersten drei Lebensjahre, sondern bis zur Vollendung des achten.

Warum so lange?

Wissen Sie, es geht ja nicht nur um Begleitung im frühkindlichen Lebensalter. Ihr Kind benötigt auch mit sieben Jahren noch Erziehung. Außerdem schafft die EU-Regelung den Betriebsräten eine größere Flexibilität. Zum Beispiel für die Möglichkeit, Elternurlaub mittels Teilzeit zu verdoppeln.

Woran scheitert das Gesetz im deutschen Bundestag?

Die CDU blockiert das. Die sagen, familienpolitisch genügt es, wenn sich einer um das Kind kümmert. Deswegen ist die Regelung auch gleichstellungspolitisch wichtig.

Wie geht's jetzt weiter?

Die Länder, die die Regelung noch nicht durchgesetzt haben, kriegen erstmal die Möglichkeit zu erklären, warum nicht. Und dann muß die Europäische Kommission die Bundesregierung gegebenenfalls wieder einmal vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Doch schon ab heute hätte eine deutsche ArbeitnehmerIn, wenn sie vor Gericht zieht, gute Chancen auf Erfolg.

Wie lange dauert solch ein Verfahren?

Naja, das ist die Krux: Zwei, drei Jahre. Die deutschen Väter und Mütter sind erstmal gekniffen.

Fragen: Fritz v. Klinggräff