Die Teure und ihr Klon

■ In Bruchsal startet im Herbst die erste internationale "Universität" in Baden-Württemberg. 18.000 Mark Gebühren kostet das Ziehkind einer umtriebigen Amerikanistin - und ist schon geklont

Freiburg (taz) – „Das Inserat für die USA müssen wir noch ändern“, entscheidet Heide Ziegler. Sie blickt den Mann von der Werbeagentur an. „Da muß unbedingt noch drauf, daß wir unseren Studenten einen Job garantieren.“ Mit dem anderen Inserat ist die Amerikanistin einverstanden: Es wird in Singapur mit dem Slogan werben: „Last call for the International University in Germany.“

Für die International University (IU) ist es in der Tat der letzte Aufruf. Am 14. September nimmt Baden-Württembergs erste Privathochschule ihren Lehrbetrieb auf. Standort: Bruchsal, ehemalige Dragonerkaserne. Hier werden 30 StudentInnen unterrichtet – alle im einzigen Fach „Information and Communication Technology“. Obwohl sich bereits mehr als 100 StudentInnen angemeldet haben, sucht die IU-Präsidentin nach weiteren Berwerbern: „Wir wollen unter den Besten auswählen.“

Die internationale Uni in der Provinz soll eine Kaderschmiede für Manager werden: Studiendauer zwei Jahre, aufgeteilt in sechs Trimester. Unterrichtet wird auf Englisch. Studiengebühren: 18.000 Mark pro Jahr. Wer das Examen besteht, bekommt garantiert einen Job, versichert Uni-Präsidentin Ziegler – „ansonsten erstatten wir die Studiengebühr zurück“. Allein der Softwarekonzern SAP, einer der Hauptsponsoren von Zieglers IU, würde gern jedes Jahr die 30 Absolventen nehmen.

Vor zwei Jahren war die umtriebige Heide Ziegler noch Rektorin der Universität Stuttgart. „Eigentlich wollte ich eine deutsche Uni von innen reformieren“, erzählt die 55jährige. Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Klaus von Trotha (CDU) war von ihren Ideen angetan: Internationale Abschlüsse, kurze Studienzeiten, praxisorientierte Lehrinhalte. Doch dann war die resolute Frau auch für das Ministerium zu schnell, das zu den bedenkenlosesten Hochschulreformern im Land zählt: Ziegler wollte Studenten selbst auswählen, Professoren nur befristet anstellen und Studiengebühren erheben. Das alles könne man doch nicht machen, hieß es. Und auch an ihrer Heimat-Uni Stuttgart wuchsen die Zweifel: „Ich wollte Informatik in alle Studienfächer integrieren“ – aber die Professoren lehnten das als Einmischung in ihre „inneren Angelegenheiten“ ab. Die bei zahlreichen Aufenthalten vom angloamerikanischen Hochschulwesen faszinierte Frau zog den Zorn der Etablierten auf sich. Im Mai 1996 fiel sie bei den Neuwahlen gnadenlos durch. Der Gegenkandidat und jetzige Rektor Günter Pritschow machte in Professorenkreisen mit den Worten Stimmung gegen sie: „Das Weib muß weg!“ Ziegler revanchierte sich beim Abschied spitz, die Stuttgarter liefen Gefahr, eine Flachhochschule zu werden.

Statt sich vollends in den Schmollwinkel zurückzuziehen, erarbeitete die Geschmähte von da an zusammen mit ihrem Prorektor Andreas Reuter das Konzept einer privaten Hochschule. Sie fand Unterstützung im Ländle, bei Weltfirmen wie SAP, Trumpf, Bosch und Hewlett & Packard. „An den bestehenden Hochschulen“, kritiserte etwa SAP-Vorstand Klaus Tschira, „studieren zu wenig Studenten aus unseren Exportländern USA oder Asien.“

Doch die Zusammenarbeit der Amerikanistin mit den Schwaben ging nur ein Jahr gut. Vor allem Marcus Bierich (Bosch) und Bertold Leibinger (Trumpf) vom IU- Kuratorium wollten eine stärkere Anbindung des Hochschulbabys an die Unis Stuttgart, Hohenheim und Tübingen – für Heide Ziegler eine unzumutbare Bevormundung. Im Dezember vergangenen Jahres platzte die Bombe nach einer Kuratoriumssitzung: Das Duo Ziegler/Reuter schmiß den Kram hin. Die schwäbischen Firmenvertreter hatten sich nicht für einen Uni-Standort entscheiden können, obwohl das badische Bruchsal ein gutes Angebot vorgelegt hatte: Die 41.000-Einwohnerstadt präsentierte Sponsoren, 4,5 Millionen Mark aus dem Stadtsäckel und die alte Dragonerkaserne als Uni-Gebäude. Ziegler und Reuter machten daraufhin gemeinsame Sache mit dem Bruchsaler Oberbürgermeister und zogen wichtige Sponsoren mit. Die Stuttgarter standen zunächst im Regen.

Nun war aber die badisch- schwäbische Rivalität angestachelt, und die übriggebliebenen Stuttgarter (Bosch, Trumpf, H&P und die Landesgirokasse) kopierten Zieglers Konzept, nannten ihren Klon „Stuttgart Institut of Management and Technology“ (SIMT) und beantragten bei der Landesregierung die Zulassung. Im Februar bewilligte das Kabinett unter Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) überraschend beide Privathochschulen. Und sponserte die privaten Unis satt mit öffentlichem Geld. Weil Wirtschaft und Uni-Betreiber drängten, bekommt Bruchsals IU nun insgesamt 10 Millionen Mark, das SIMT 15 Millionen Mark. Und Wissenschaftsminister von Trotha freut sich, Hochschulkonkurrenz im Ländle zu haben.

Nach Ansicht Zieglers sind die öffentlichen Zuschüsse bestens angelegt. Die IU-StudentInnen sehen ihre Dozenten auch nach Feierabend, da alle auf dem Campus wohnen – was in Bruchsal sicher leichterfällt als in Freiburg oder Tübingen. Sie lernen, wie man übers Internet Geld verdient, Computer-Fortbildung für Mitarbeiter organisiert, was Microsoft gerade so entwickelt und Neues über den Telekommunikationsmarkt in den USA. Ziegler selbst ist für ein paar Unterrichtsstunden „Culture Studies“ zuständig. Sie versichert, daß damit auch der Bildung im herkömmlichen Sinne genüge getan werde. Den Vorwurf, daß die akademische Monokultur ihrer Internationalen Uni gar nichts mehr mit dem vollen Fächerkanon einer Universität zu tun habe, kontert sie mittlerweile genervt: „Als die Uni Bologna im 13. Jahrhundert angefangen hatte, gab's auch kein breites Fächerspektrum.“ Markus Grill