Clement führt rot-grüne Koalition

■ Eine Ära in Nordrhein-Westfalen ging zu Ende. Wolfgang Clement löste Johannes Rau als SPD-Ministerpräsident ab. Acht Abgeordnete aus dem rot-grünen Koalitionslager enthielten sich

Düsseldorf (taz) – Der Wechsel in Nordrhein-Westfalen ist vollbracht. Mit 124 Stimmen wählte gestern der nordrhein-westfälische Landtag Wolfgang Clement (SPD) zum neuen Regierungschef im größten Bundesland der Republik. Für den CDU-Oppositionschef Helmut Linssen votierten 87 Abgeordnete. Neun enthielten sich. Weil 88 CDU-Parlamentarier anwesend waren, ist damit klar, daß acht aus dem 132köpfigen Koalitionslager nicht für Clement stimmten.

Die bündnisgrüne Fraktion hatte unmittelbar vor der Entscheidung in ihren Fraktionsräumen eine geheime Probeabstimmung durchgeführt. Dabei hatten lediglich drei der 24 Bündnisgrünen nicht für den Rau-Nachfolger votiert. Der grüne Bauminister Michael Vesper sprach danach von einem „großartigen Ergebnis“, das angesichts der grünen Parteitagsentscheidungen zur Fortsetzung der Koalition „eigentlich auch selbstverständlich“ gewesen sei. Daß auf Clement dann doch acht Enthaltungen entfielen, geht nach Auffassung der Grünen auf das Konto der SPD-Fraktion. Doch solche Zuordnungen beruhen allein auf Spekulation. Auch ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten zwischen dem grünen Probelauf und dem Ernstfall ist denkbar.

Als Clement-Gegner geoutet haben sich auf Seiten der Grünen nur Stefan Bajohr und der Wortführer der linken Koalitionsgegner, Daniel Kreuz. Der Kölner Abgeordnete zeigt sich seit langem „davon überzeugt, daß die Koalition gescheitert ist“. Tatsächlich, so Kreuz gestern zur taz, unterscheide sich das von Clement repräsentierte Politikmodell „in den zentralen Feldern nicht vom konservativ-liberalen Modell“. Der grüne Parteisprecher Reiner Priggen wertete das Wahlergebnis dagegen als „gutes Signal für die Zukunft der Koalition“. Als Ministerpräsident habe Clement die „Chance“, ein neues Verhältnis zu den Grünen zu finden. Kurz zuvor hatten die Grünen Johannes Rau für dessen Arbeit gedankt und ihm zum Abschied eine Beteiligung an einem Windkraftpark geschenkt. Rau habe, so Fraktionssprecherin Gisela Nacken, wesentlich dazu beigetragen, daß die schwierige Koalition „doch noch ein Stück weit zusammengewachsen sei“. Rau entgegnete, die Koalitionszeit sei zwar „oft schwierig, aber für ihn auch sehr wichtig gewesen“.

SPD-Fraktionschef Klaus Matthiesen rechnete die mangelnde Geschlossenheit der Koalition gestern allein dem „Fundi-Flügel“ der Bündnisgrünen zu. Man habe damit aber „bisher gelebt und werde auch in Zukunft damit leben können“. Für Clement, der seine Regierungserklärung am 17. Juni abgeben wird, bedeutet das Wahlergebnis zusätzlichen „Rückenwind“. In der nächsten Woche wird der neue Regierungschef sein Kabinett vorstellen. Beste Aussichten, ihm im Wirtschaftsministerium zu folgen, werden dem wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion und Preussag-Manager, Bodo Hombach, zugesprochen. Mit einer bewegenden Rede hatte sich Johannes Rau zu Beginn der Landtagssitzung von seinem Amt verabschiedet. Er habe sich in allen Ämtern bemüht, „im Reden und im Handeln ich selber zu bleiben“, sagte Rau, der dem Parlament seit knapp 40 Jahren als Abgeordneter angehört und das Mandat auch weiter wahrnehmen will. Am fruchtbarsten habe er jene Debatten empfunden, in denen spürbar geworden sei, „daß die Welt sich nicht auf Schwarz oder Weiß reduzieren“ lasse. Weil er selbst bei der „Abwägung des Für und Wider“ oft „nicht hundert Prozent auf der einen oder auf der anderen Seite“ habe buchen können, seien ihm manches Mal die Entscheidungen schwergefallen. Walter Jacobs