Ein Ärgernis, aber keine Katastrophe

■ Bodo Hombach, Wahlkampfberater von Gerhard Schröder, über Reinhard Höppner, die PDS und die Folgen von Sachsen-Anhalt für die SPD in Bonn

taz: Schadet Sachsen-Anhalt Ihrem Wahlkampfkonzept in Bonn?

Bodo Hombach: Ja.

Warum?

Weil die Magdeburger Entscheidung der Bonner Regierungskoalition Chancen eröffnet, Zweifel am Kurs von Gerhard Schröder zu säen. Die wahlentscheidende neue Mitte zu gewinnen, wird für uns dadurch nicht leichter.

Fürchten Sie um Schröders Wahlsieg?

Nein, so weit würde ich nicht gehen. Aber das Konrad-Adenauer- Haus lacht sich ins Fäustchen. Die Unionstruppen befanden sich auf einem ungeordneten Rückzug. Durch die Magdeburger Ereignisse sind sie – bildlich gesprochen – auf einen Bunker gestoßen, in dem sie sich sammeln und Kraft tanken können.

Genug Kraft, um das Meinungsklima zu verändern?

Zunächst einmal genug, um neue Zuversicht zu gewinnen. Das sah man ihnen nach den Nachrichten aus Magdeburg ja geradezu an. Die Konservativen haben in diesem Bundestagswahlkampf ihre strategischen Optionen verspielt. Sie lauern nur noch auf für sie nützliche Fehler der SPD. Sachsen-Anhalt war ihr letzter Strohhalm. Ich will nicht hoffen, daß daraus ein Rettungsboot wird.

Die Bonner SPD wollte in Magdeburg eine Große Koalition. Hätte Höppner damit nicht sein Ansehen und das der SPD im Osten aufs Spiel gesetzt?

Jede Seite hatte gute Argumente, die sich aus der unterschiedlichen Wahrnehmung der jeweiligen Realität sowie der Reflexion der Geschichte in Ost und West ergeben. Auch die parlamentarische Zusammenarbeit mit der PDS zur Isolierung der DVU macht Sinn. Es ist nicht nur im Interesse von Sachsen-Anhalt, sondern im deutschen Interesse, daß keine Bilder vom komplett rechtsradikalen Landtagspräsidium um die Welt gehen. Das hätte man verhindern können. Doch die Bonner CDU hat sich allein aus wahltaktischen Gründen dagegen gesträubt. Sie wollte keine Große Koalition.

Die CDU wollte nicht mit der PDS ins Boot, weil sie die Partei für undemokratisch hält.

Diese Debatte wird doch von der CDU höchst scheinheilig geführt. Wer zu den eigenen Blockflöten schweigt, sollte der SPD gegenüber auf demokratische Belehrungen verzichten.

Damit ist die Frage nach der PDS nicht beantwortet.

Wir können von Frankreich lernen. Dort sorgt gerade ein Buch für Furore, in dem die Opfer des Stalinismus quantifiziert und den Opfern des Faschismus gegenübergestellt werden. Eine Schlußfolgerung dieser Debatte lautet: Beide totalitären Systeme sind zutiefst menschenverachtend und gleich todbringend. Das ist der prinzipielle Standpunkt. Ich glaube, es gibt niemanden in der SPD, der diese Ansicht nicht teilte. Reinhard Höppner geht aber von der DDR-Lebenserfahrung aus. Er verweist darauf, daß zu DDR- Zeiten viele SED-Mitglieder anständige und hilfreiche Menschen waren, und die Blockflöten, die heute in der CDU so tun, als seien sie Heilige gewesen, zu den bösen Stützen des Systems zählten.

Ist die PDS in Sachsen-Anhalt zu einer demokratischen Kraft geworden, mit der man verläßlich zusammenarbeiten kann?

Sicher bin ich mir da nicht. Eine Partei, die in ihren Reihen Leute und Fraktionen duldet, die weiter nach der Diktatur des Proletariats streben, bietet berechtigten Anlaß zu Zweifel an ihrer demokratischen Verläßlichkeit – auch wenn ihre Abgeordneten nicht auf diesem Kurs segeln. Im übrigen muß es das Interesse der SPD sein, durch eine kluge Politik zur Eingrenzung und Verkleinerung der PDS beizutragen.

Für Kohl zeigt Sachsen-Anhalt, daß Schröder in Bonn mit der PDS an die Macht strebt. Ist das so?

Da lachen doch die Hühner. Die ganze SPD-Führung steht geschlossen an Schröders Seite und lehnt eine Zusammenarbeit mit der PDS in Bonn kategorisch ab. Dabei wird es bleiben, egal, wie die Wahl ausgeht. Mit dem Lagerwahlkampf versucht die Union, von den Realitäten in Deutschland abzulenken.

Zieht das 1998 noch?

Ich will nicht verhehlen, daß der Lagerwahlkampf jene Gruppen verschrecken könnte, die zwar fühlen, daß der Wechsel fällig ist, die wir aber noch nicht gewonnen haben. Im Grunde ist der CDU-Lagerwahlkampf so etwas wie ein scharfer Schäferhund, der die Herde der Schafe umkreist und Ausbrüche verhindern soll.

Haben Sie ein Gegenmittel?

Aufklärung, Verstand, Vernunft. In einem emotionalisierten Wahlkampf kommt man aber mit Vernunft allein nicht durch.

Womit dann?

Man muß den Lagerwahlkampftrick der Konservativen durchschaubar machen. Das ist das beste Rezept.

Ein Desaster für die SPD bedeutet Magdeburg also nicht?

Ein Ärgernis, aber keine Katastrophe! Interview: Walter Jakobs