„Unsere Erfolge nicht kaputtreden!“

■ taz-Debatte: GAL-Sprecher Peter Schaar warnt davor, kleine grüne Schritte zu übersehen

Der Konflikt über das „Handlungskonzept Hauptbahnhof“ mit dem anschließenden Rücktritt von Anna Bruns macht deutlich, daß es in der GAL sehr unterschiedliche Bewertungen der von uns mitverantworteten Regierungspolitik gibt. Die einen nehmen in der Senatspolitik vor allem die Kontinuität wahr. Die anderen sehen vor allen Dingen die – zugegebenermaßen – kleinen Schritte, die in Richtung einer grünen Politik gemacht werden.

Beide Seiten haben auf ihre Weise recht. Richtig ist, daß sich die SPD nach dem Regierungsantritt der GAL nicht grundlegend von der SPD unterscheidet, die in den vergangenen 40 Jahren die Hamburger Politik geprägt hat. Richtig ist aber auch, daß es auf verschiedenen Feldern durchaus Projekte gibt, die eine grüne Handschrift tragen, zum Beispiel die Einführung der Produktionsschule, das Bleiberecht für mißhandelte ausländische Ehefrauen und die Polizeikommission.

Von allen Beteiligten ist zu erwarten, daß sie die Senatspolitik vorurteilsfrei betrachten. Wer das Handlungskonzept als „grünes Bettlerpapier“ bezeichnet, urteilt entweder wider besseres Wissen oder hat das Konzept nicht gelesen. Das vom früheren SPD-Bürgermeister Henning Voscherau inspirierte „Bettlerpapier“ hatte die Vertreibung der Randständigen aus der öffentlichen Wahrnehmung zum Gegenstand. Der Vorwurf „grünes Bettlerpapier“ ist dementsprechend schwerwiegend – und falsch. Denn in dem „Handlungskonzept Hauptbahnhof“ wird der im Koalitionsvertrag vorgezeichnete Weg des Ausbaus der Drogenhilfe und einer bundespolitischen Initiative zur Liberalisierung des Drogengebrauchs beschrieben und konkretisiert.

Der Streit entzündet sich an der in der Drucksache auch enthaltenen Beschreibung der polizeilichen Maßnahmen. In dem Konzept wird konstatiert, daß trotz dieser Maßnahmen die Drogenszene in St. Georg weder beseitigt noch unsichtbar gemacht werden konnte. Im Hinblick auf das weitere polizeiliche Handeln enthält das Konzept die Aussage, daß in bestimmten Fällen „wie z.B. bei stationärem Lagern oder Versperren von U-Bahn-Zugängen ... anlaßbezogen – zum Beispiel bei konkreten Belästigungen anderer Personen“ eingeschritten werden soll. Diejenigen, die ihre Kritik an der Darstellung polizeilicher Maßnahmen hochziehen, bleiben die Antwort schuldig, welches Konzept sie dagegensetzen. Ich meine, daß es durchaus Fälle gibt, in denen die Polizei eingreifen muß.

Kritisch anzumerken bleibt allenfalls, daß eine Festlegung des Senats auf die Einrichtung eines weiteren szenenahen Gesundheitsraums noch nicht erfolgt. Allerdings wird hier ein baldiges Moderationsverfahren in Aussicht gestellt, in dem geklärt werden soll, ob der unbestrittene Bedarf durch eine Erweiterung der Öffnungszeiten der bisherigen Einrichtungen oder durch die Schaffung neuer Gesundheitsräume erreicht werden kann.

Das Konzept setzt also in wesentlichen Punkten den zwischen GAL und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag um. Wer die Koalitionsverhandlungen auf diesem Themenfeld geführt hat, kann sich jetzt nicht aus der Verantwortung stehlen. Auch wenn die Senatspolitik nicht allzu häufig Anlaß für euphorische Reaktionen bietet, muß jetzt Schluß damit sein, unsere Erfolge herunterzuspielen oder kaputtzureden. Dies würde nicht nur den Fortbestand der rot-grünen Koalition in Hamburg gefährden, sondern auch die Chancen auf einen Wechsel in Bonn.