Diamantengeschäfte sind unvergänglich

Britische Söldner mischten in Sierra Leones Bürgerkrieg mit – und London wußte Bescheid  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Die britische Regierung gerät immer tiefer in den Sumpf eines Söldner- und Waffenexportskandals. Nachdem Außenminister Robin Cook vergangene Woche eine unabhängige Untersuchung der Aktivitäten der britischen Söldnerfirma „Sandline“ im westafrikanischen Sierra Leone zusagte, häufen sich die Indizien, daß die Regierung mehr darüber wußte, als sie zugibt.

Ende letzter Woche gab „Sandline“ Details über hochrangige Treffen mit Mitarbeitern der britischen Außen- und Verteidigungsministerien in Großbritannien und Sierra Leone bekannt. Gestern veröffentlichte die Sunday Times Fotos von britischen Marineinfanteristen, die in Sierra Leone einen Hubschrauber von „Sandline“ reparieren.

„Es war ein russischer Hubschrauber vom Typ MI-17, der seit Oktober bis zu 15 Einsätze am Tag geflogen hatte“, erklärte „Sandline“-Chef Tim Spicer der Sunday Times. „Er flog durch feindliches Feuer, transportierte Truppen, Munition, Treibstoff, Lebensmittel und evakuierte Opfer.“

Es ist der bisherige Höhepunkt einer Affäre, bei der eigentlich nichts schiefgehen konnte und die als Farce endete. Sie begann mit dem Militärputsch, der Ende Mai 1997 den Präsidenten von Sierra Leone, Ahmed Tejan Kabbah, ins Exil im Nachbarland Guinea trieb. Nachdem Anfang Juni eine Militärintervention Nigerias gegen die Putschisten gescheitert war, überlegte sich Kabbah andere Wege zur Rückkehr an die Macht.

Im Juli nahm Kabbah mit dem Briten Tim Spicer Kontakt auf. Spicer besitzt die Söldnerfirma „Sandline International“, deren Mitarbeiter bereits in Sierra Leone zur Bewachung einer britischen Diamantenkonzession tätig waren. Nach Angaben von „Sandline“ kam die Idee zur Kontaktaufnahme vom britischen Botschafter in Sierra Leone, Peter Penfold, der Kabbah nach Guinea gefolgt war.

Im Juli wurde auf Vermittlung eines in Kanada lebenden thailändischen Geschäftsmannes, Rakesh Saxena, ein Deal geschlossen: Für zehn Millionen Dollar, die Saxena im Tausch für später zu vergebende Diamantenkonzessionen vorschießen würde, sollte Spicers Truppe die in Sierra Leone gegen das Putschistenregime kämpfende Kabbah-treue Miliz „Kamajor“ trainieren. Im Dezember wurde das Geschäft erweitert: Die Kamajors brauchten Waffen, vor allem Maschinengewehre. Spicer fand die gesuchte Ware in Bulgarien. Über Nigeria wollte er sie zur Kamajor-Miliz bringen lassen.

Weil das international geächtete Nigeria ein heikler Partner war, informierte Spicer nach eigenen Angaben zur Absicherung die britischen Behörden. Großbritannien spielte seit dem Putsch in Sierra Leone eine aktive diplomatische Rolle bei den Bemühungen, Kabbah zurück an die Macht zu bringen. Die britische Regierung hat mittlerweile bestätigt, daß ab Januar 1998 mehrere Treffen zwischen Vertretern von „Sandline“ und Beamten der britischen Außen- und Verteidigungsministerien stattfanden. Sie dementiert nur, daß dabei eine Erlaubnis für Waffenexporte erteilt wurde. Diese würden nämlich das UN- Waffenembargo brechen, das nach dem Putsch gegen Sierra Leone verhängt worden war.

Aber ab Januar ging alles schief. Nigerias Truppen in Sierra Leone – stationiert unter dem Deckmantel der westafrikanischen Eingreiftruppe „Ecomog“ – ging gegen das Putschistenregime in die Offensive und eroberte am 13. Februar 1998 die Hauptstadt Freetown. Die Putschisten flohen. Tim Spicers Waffen waren da noch gar nicht eingetroffen. Erst am 21. Februar landete im Auftrag von „Sandline“ ein Frachtflugzeug der britischen Fluglinie „Sky Air Cargo Services“ – die ein einziges Flugzeug besitzt – im nigerianischen Kano mit 35 Tonnen Waffen, hauptsächlich AK-47-Maschinengewehre. Als die Gewehre zwei Tage später in Freetown landeten, wurden sie von Nigerias Armee weggeschlossen. Das ganze Waffengeschäft erwies sich als überflüssig.

Spicers Firma war dennoch nicht untätig. Achtzehn Mann hatte sie vor Ort – Briten, US- Amerikaner und Südafrikaner, die nach Spicers Aussagen im „humanitären Bereich“ tätig waren und in Realität vermutlich Kamajor-Milizionäre trainierten. Dabei kam auch der russische Hubschrauber zum Einsatz, dessen sich dann Marinesoldaten des britischen Kriegsschiffes „HMS Cornwall“ annahmen, das am 1. März mit humanitärer Hilfe an Bord im Hafen von Freetown landete.

Nigerias Militärintervention gipfelte am 10. März in der triumphalen Rückkehr Präsident Kabbahs nach Freetown an der Seite des nigerianischen Militärdiktators Sani Abacha. Am gleichen Tag entschied der britische Zoll, daß die vom britischen Außenministerium gelieferten Informationen über „Sandlines“ Geschäfte eine genauere Untersuchung verdienten. Der Skandal nahm seinen Lauf. Anfang Mai erreichte er die britische Presse.

Seitdem füttert „Sandline“ die Medien mit immer neuen brisanten Einzelheiten. Tim Spicer fühlt sich hintergangen: Die versprochenen zehn Millionen Dollar bekam er nicht, sondern nur eine Vorauszahlung von 1,5 Millionen; und die Zolluntersuchungen gegen seine Firma empfindet er, so klagen seine Anwälte in einem Brief an Außenminister Cook, als „nicht übereinstimmend mit der Politik der Regierung“. Die Regierung ihrerseits erlebt ihren bisher schwersten außenpolitischen Skandal.

In Sierra Leone erregt die Affäre nicht minderes Aufsehen. Kabbah-treue Zeitungen haben zu probritischen Demonstrationen aufgerufen. Die Regierung dementiert das „Sandline“-Geschäft und rechtfertigt es zugleich. „Nehmen wir einmal an, daß Söldner Leute trainiert haben“, sagte Präsidentensprecher Septimus Kaikai vor einer Woche. „Was ist daran falsch?“