Dänische Gewerkschaften wollen nicht klein beigeben

■ Das von der Regierung verordnete Streikende heizt die Stimmung in den Betrieben auf. Belegschaftsversammlungen sollen über weitere Protestaktionen für die nächste Woche beraten

Kopenhagen (taz) – Die Lage in Dänemark normalisiert sich. Die Menschen füllen die Tanks ihrer Autos, kaufen Zeitungen und endlich wieder frische Lebensmittel. Die Medien begrüßen im wesentlichen den Regierungseingriff zum Abbruch des Streiks. Für die rechte Jyllandsposten ist die Entscheidung „zwangsläufig und ausgewogen“, für den liberalen Berlingske Tidende „ein notwendiges Übel“ und für die linke Information „eine salomonische Lösung“. Nur in vielen dänischen Betrieben stehen die Zeichen auf Sturm.

„Die meisten Leute sind stocksauer“, berichtet Bjarne Sörensen, Vertrauensmann in einem Metallbetrieb in Horsens: „Ich bin den ganzen Tag über von Mitgliedern angerufen worden, die etwas gegen die Zwangsmaßnahme der Regierung tun wollen.“ Am Montag sollen jetzt Betriebsversammlungen über weitere Protestformen beraten. „Es muß nur in einem Betrieb anfangen. Dann wird sich das wie ein Steppenbrand ausbreiten“, beschreibt Peter Pedersen, Betriebsrat bei einem Busunternehmen in Glostrup, die Stimmung unter seinen KollegInnen. Die Behauptung der Regierung, daß der Streik die öffentliche Ordnung gefährdet habe und deshalb ein Eingriff nötig war, sei nur vorgeschoben: „Nach vier Wochen vielleicht, aber nicht schon nach zehn Tagen.“

Vorwiegend, aber keinesfalls durchgängig negativ ist die Stimmung. Ob man die von der Regierung verordneten zwei zusätzlichen Urlaubstage und die „Vorsorgetage“ für Kinder unter 14 Jahren als ausreichenden Lohn des Streiks ansieht, hängt offenbar wesentlich von der persönlichen Betroffenheit ab. „Bei uns in der Brauerei“, so Betriebsrat Kurt Christensen von „Carlsberg“, „haben nur verhältnismäßig wenige Kinder in diesem Alter. Da schlagen vielmehr die Pensionskürzungen durch. Die meisten Kollegen haben jetzt weniger als nach dem Vermittlervorschlag, der mit 80 Prozent niedergestimmt worden war.“ Das heizt die Stimmung auf.

„Wir waren auf dem besten Weg, eine eigene Lösung zu finden. Doch als die Arbeitgeber spitzkriegten, daß die Regierung ungeduldig wurde, haben sie gemauert“, beschwert sich der Vorsitzende des Gewerkschaftsdachverbands LO, Hans Jensen.

Den Schritt allerdings, die Regierung wie bei einem ähnlichen Fall 1985 vor der UN-Arbeitsmarktorganisation ILO anzuzeigen, will Jensen nicht tun, obwohl die ILO damals im Bruch des Streikrechts einen Verletzung der Menschenrechte sah.

Trotz Klageunlust der LO könnte Kopenhagen eine solche Peinlichkeit erneut drohen. Denn eine Reihe von Einzelgewerkschaften überlegen sehr wohl, ob sie vor die UN-Organisation ziehen wollen. Der Vorsitzende der Flugarbeitergewerkschaft, Nicolas Fischer, hat sogar bereits einen Anwalt beauftragt.

Laut ILO-Konvention darf eine Regierung nur gezielt zur Sicherung lebenswichtiger Bereiche in einen Arbeitskampf eingreifen, und außerdem muß den Einzelgewerkschaften ermöglicht werden, zunächst gesonderte Verhandlungen zu führen. „Beides ist nicht geschehen“, so Lars Adam Rehof, Lektor für Völkerrecht, „Dänemarks Regierung und Parlament glauben offenbar, internationales Recht einfach nicht beachten zu müssen.“ Reinhard Wolff