Pakistanischer Bischof erschießt sich aus Protest

■ Nach dem Todesurteil gegen einen Christen wegen angeblicher Blasphemie begeht der prominente Christenführer John Joseph bei einer Demonstration vor einem Gericht Selbstmord

Berlin (taz) – Der katholische Bischof von Faisalabad hat sich gestern während einer Demonstration vor dem Gericht der punjabischen Kreisstadt Sahiwal erschossen. Wenige Tage zuvor war dort der Christ Ayub Masih in einem spektakulären Blasphemie-Prozeß wegen angeblicher Gotteslästerung zum Tode verurteilt worden. Das hatte in der Islamischen Republik eine landesweite Protestwelle religiöser Minderheiten ausgelöst. Beobachter gehen deshalb davon aus, daß der gestrige Selbstmord des 66jährigen Bischofs John Joseph damit im Zusammenhang steht. Dafür spricht auch der Umstand, daß der Bischof seine öffentliche Selbstexekution exakt an der Stelle beging, an der auf den Tag genau vor sechs Monaten der jetzt verurteilte Ayub Masih von einem fanatischen Prozeßbesucher angeschossen worden war.

Mit dem 1994 zum Bischof geweihten Joseph verlieren Pakistans religiöse Minderheiten den profiliertesten Vorkämpfer ihrer Rechte. 1992 organisierte er eine landesweite Kampagne, mit der der von der Regierung geplante Eintrag der Religionszugehörigkeit in die Personalausweise verhindert werden konnte. Auch 1994, als drei unter Blasphemie- Anklage stehenden Christen – darunter ein minderjähriger Junge – die Todesstrafe drohte, stand der Bischof an der Spitze der Proteste. Als einer der drei Angeklagten im Verlauf des Prozesses bei einem Anschlag getötet wurde, befand sich John Joseph unter den Verletzten.

Sein Hauptengagement richtete sich gegen die Abschaffung des sogenannten Blasphemie-Gesetzes 295-C. Christen, Hindus und Ahmadis (eine per Gesetz als ketzerisch abgestempelte islamische Sekte), die zusammen vier Prozent der 140 Millionen Einwohner ausmachen, müssen jederzeit damit rechnen, unter Berufung auf dieses Gesetz unter Anklage gestellt zu werden. Das vom Militärdiktator Zia ul-Haq (1924 bis 1988) stammende Gesetz sieht für die Beleidigung des Propheten Muhammed, des Korans und des Islams die Todesstrafe vor. Unter dem demokratisch gewählten Premier Nawaz Sharif wurde es 1991 sogar noch verschärft.

Laut amnesty international laufen derzeit gegen mehr als 2.000 Angehörige religiöser Minderheiten Strafverfahren wegen angeblicher Glaubensdelikte. Meist werden sie mit Geld- oder Freiheitsstrafen geahndet. Gegen sieben Angeklagte wurden jedoch auch schon Todesurteile verhängt, mit der auch die Angeklagten in sechs weiteren, zur Zeit laufenden Prozessen rechnen müssen. Jorge Scholz