Friedensengel Blair bleibt in Nahost der Erfolg versagt

■ Keine sichtbaren Fortschritte bei den Nahost-Verhandlungen in London. Nur die Palästinenser haben sich bewegt. Sie verzichten auf Jerusalem als ihre Hauptstadt

Jerusalem (taz) – Obwohl die israelisch- palästinensischen Friedensgespräche in London um einen Tag verlängert wurden, ist der erhoffte Durchbruch gestern ausgeblieben. US-Außenministerin Madeleine Albright konnte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nicht dazu bewegen, einem 13prozentigen Rückzug Israels aus den besetzten palästinensischen Gebieten zuzustimmen. Die USA hatten eine entsprechende Initiative vorgelegt, der Palästinenserpräsident Jassir Arafat bereits zugestimmt hatte. Beide Seiten vermieden es aber, am Ende der Verhandlungen von einem Scheitern zu sprechen.

Netanjahu nach Abschluß der Gespräche: „Es sind eine Reihe von wichtigen Fortschritten erzielt worden, wichtig für den Frieden und wichtig für Israel.“ So sei man sich in der Frage eines weiteren Teilrückzugs sowie der Aufnahme der Abschlußverhandlungen nähergekommen. Doch gebe es auch noch Differenzen. Die Schwierigkeit sei, „wir können Israels Sicherheit nicht aufs Spiel setzen“. Arafat erklärte nach einem Mittagessen mit dem britischen Premier Tony Blair, die wenigen Fortschritte müßten sich in den nächsten Tagen erst noch in der Realität zeigen. Grundlage der Verhandlungen müsse die US-Initiative sein. Arafat warf Netanjahu vor, einer Einigung im Wege zu stehen. Blair, der als Gastgeber für die Gespräche fungierte, gab sich dagegen optimistisch: „Wir haben das abschließende Kapitel erreicht.“ Die Verhandlungen würden in den nächsten Tagen von US-Unterhändler Dennis Ross in London fortgesetzt. Sollten diese Verhandlungen zu einem unterschriftsreifen Abkommen führen, ist ein erneutes Treffen von Albright, Netanjahu und Arafat vorgesehen. Als mögliche Orte wurden Washington und New York ins Spiel gebracht. Arafat nannte eine europäische Hauptstadt als möglichen Verhandlungsort.

US-Außenministerin Albright verbrachte in den zwei Verhandlungstagen fünfmal mehr Zeit mit Netanjahu als mit Arafat. Mehrfach standen die Beratungen nach Angaben aus Delegationskreisen vor dem Scheitern. So beschuldigte der palästinensische Planungsminister Nabil Shaath Israel, die Verhandlungen platzen lassen zu wollen: „Netanjahus Motivation ist es, die Spielregeln der Oslo-Vereinbarungen zu zerstören.“ Unterdessen überraschte Arafat am Wochenende die Teilnehmer eines US-Forums in Ramallah mit der Mitteilung, daß er nicht mehr an Jerusalem als palästinensischer Hauptstadt festhalte. Er sei bereit, die Ortschaft Abu Dis in der Nähe Jerusalems als Hauptstadt zu akzeptieren: „Die Idee mit Abu Dis, das unter jordanischer Herrschaft zu Jerusalem gehörte, ist akzeptabel.“ Auch das sogenannte Beilin-Abu-Mazen-Abkommen aus dem Jahre 1996 bezeichnete Arafat als realistisch. Demnach blieben die meisten israelischen Siedlungen im Westjordanland unter israelischer Kontrolle.

Georg Baltissen Berichte Seite 2