Roman Herzogs Ruck kriegt Räder

■ Nach seiner „Ruck-Rede“ schickt der Bundespräsident jetzt einen Doppeldeckerbus auf Reisen, der SchülerInnen in Schwung bringen soll

Berlin (taz) – Bundespräsident Roman Herzog hat das Startsignal gegeben, das „Zukunftsmobil“ dreht eben eine Runde ums Schloß Bellevue, und Sven Friebe ist stinksauer: Der 22jährige BWL- Student aus Berlin ist Redaktionsmitglied bei der unabhängigen Schülerzeitung Die Unbunte. Sauer ist er, weil seine Vorstellung des Projekts „Zukunft unterwegs“ bei der Eröffnungsveranstaltung kurzerhand von der Tagesordnung gekippt wurde. Nichtsdestotrotz wird er die Deutschlandtour des „Zukunftsmobils“ zusammen mit seinen Kollegen begleiten und dokumentieren: Drei Monate und 23 Stationen zwischen Lübeck, Cottbus und Singen liegen vor ihnen – eine Deutschlandreise, um Roman Herzogs „Hau...!“ mit einem Ruck von seiten der Jugendlichen zu beantworten.

Kein Fertiggericht sei „Zukunft unterwegs“, sondern vielmehr ein Rezept zum Selberkochen, meinte Roman Herzog in seinem Grußwort zur Eröffnung der Initiative gestern vor seinem Amtssitz in Berlin. Er rief die Jugendlichen auf, ihre Zukunft mit Energie und Kreativität selbst in die Hand zu nehmen: „Gerade junge Leute müssen praktisch erfahren können, daß die Zukunft voller Chancen steckt und daß wir zusammenarbeiten müssen“, so der Bundespräsident. In Zusammenarbeit mit dem Berliner Verein „Werkstatt Deutschland“ und verschiedenen Sponsoren brachte er das Projekt auf den Weg.

Außen weißer Lack und innen eine Computerausstattung vom Feinsten: Laptops, Internet-Anschluß und Konferenztische – der eigens für das Projekt eingerichtete Doppeldeckerbus sieht futuristisch aus, nicht zu Unrecht sind die Busfahrer Fred Neuß und Siegfried Specht stolz auf ihr Vehikel. Im Wechsel steuern sie das „Zukunftsmobil“ in den kommenden Monaten kreuz und quer durch Deutschland – die erste Station heißt am kommenden Donnerstag Potsdam. Daß die Jugendlichen auf ihren Bus abfahren werden, ist für die Busfahrer keine Frage, schließlich biete man die Möglichkeit, im Internet zu surfen und Ausbildungsperspektiven in ganz Deutschland zu erkunden.

„Info, Info, Info“, beschreibt indessen Marie-Luise Weinberger von der „Werkstatt Deutschland“ als Ziel ihres Projekts. „Wir wollen Bewegung ins Land bringen“, sagt sie. Viele Jugendliche seien bereit, die Initiative zu ergreifen, es ginge nur noch darum, Impulse zu geben.

Vor Ort will man mit den Jugendlichen diskutieren und ihnen mit Veranstaltungen rund ums „Zukunftsmobil“ Perspektiven aufzeigen. Mit Schulen im ganzen Land haben die Leute von der „Werkstatt Deutschland“ Kontakt aufgenommen, darunter mit dem Wirtschaftsgymnasium im schwäbischen Crailsheim. Zwei Wochen schulfrei bekamen die Mädchen von der elften Klasse, um ihr Projekt „Zukunftsperspektiven für Frauen“ ins Leben zu rufen und eine Präsentation zur gestrigen Eröffnung im Garten von Herzogs Schloß in Berlin zu erarbeiten. „Ich kann ja nicht zum Transvestiten werden“, quittierte Roman Herzog das Motto der Crailsheimerinnen: „Gestern Dienstmädchen, heute Ärztin und morgen Präsidentin“. Die 18jährige Nicole Häberlin will Polizeirätin werden. „Wir wollen die Chance zum Mitreden nutzen“, meint sie und hofft, mit dem Klassenprojekt zu erfahren, wie Frauen in höhere Positionen gelangen.

Wer immer sich vom Zukunftsmobil in Schwung bringen läßt, kann sich für Herbst bereits den nächsten Termin vormerken: Am Tag der deutschen Einheit werden die Teilnehmer aus Crailsheim und anderswo ihre Ergebnisse in Berlin präsentieren.

Dabeisein will auch Sven Friebe, der das Projekt „Zukunft unterwegs“ abgesehen vom Organisationschaos „ganz cool“ findet – wenn er bis dorthin nicht schon in den Staaten weilt, wo er sein Studium unter besseren Studienbedingungen zu Ende bringen will – sein ganz persönlicher Ruck, weg von Deutschland. Heike Spannagel