Bei Hoechst kommt der Lack weg

Der Chemiekonzern setzt auf schnelle Gewinnsteigerung im Gesundheitssektor und stößt die industriellen Komplexe ab. Kleinaktionäre und Beschäftigte mißtrauen der Strategie  ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Es heißt jetzt: das Hoechst. Und Brücken – wie im alten Logo – werden nicht mehr geschlagen. Ein kleines blaues Viereck, die angestrebte Quadratur des Kreises, symbolisiert heute den Konzern. „Wir wollen ein neues Hoechst schaffen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Holding Hoechst AG, Jürgen Dormann, gestern auf der Hauptversammlung in Höchst. Damit war er auch schon dabei, den mürrischen Aktionären, die den Kurseinbruch vom Herbst 1997 noch nicht verdaut hatten, die „Perspektiven des neuen Hoechst“ zu erläutern.

Und die sollen großartig sein, jedenfalls nach dem Jahr 2000. Denn dann wird, so Dormann, „dieses Hoechst“ auf den Arbeitsgebieten Gesundheit und Ernährung mit hoher Innovationsfähigkeit eine überdurchschnittliche Ertragskraft haben.

Doch auf dem Weg zum schlanken Life-Sciences-Konzern muß noch kräftig abgespeckt werden. Weil „das Hoechst“ seine Ressourcen in bezug auf die Erfordernisse der „biotechnischen Revolution“ bündeln müsse, werde man sich von den Arbeitsgebieten der industriellen Chemie trennen. Und nur im Einzelfall, wenn sich herausstellen sollte, daß Arbeitsgebiete doch hohe Wertsteigerungspotentiale besitzen sollten, erwäge die Holding noch eine Beteiligung.

Was das für die Arbeitsplätze im Industriepark Hoechst im alten Stammwerk heißt, liegt auf der Hand. Oder in den Händen der Unternehmen, die bereit sind, Hoechst etwa Celanese (Grundchemikalien), Ticona (Kunststoffe), Herberts (Lacke) oder Trevira (Fasern) abzukaufen. Für Celanese und Ticona bereitet die Holding bereits den Börsengang vor. Desinvestitionen und „Verschlankungen“ haben bereits im vergangenen Jahr dafür gesorgt, daß die Zahl der MitarbeiterInnen um 14.112 auf heute 137.374 gesunken ist.

„Schnelligkeit, Beweglichkeit, Offenheit und neues Wissen“ sind für Dormann die Voraussetzungen, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Man(n) müsse einfach „Spitze sein“. Und das will „das neue Hoechst“ bei Life Sciences werden: Pharma und Diagnostika, Blutplasma- und Blutersatzstoffe, Saatgut, Pflanzenschutz, Tiergesundheit, Lebensmittelzusatzstoffe und Lebensmittelvorprodukte.

Das ist allerdings noch ein Problem. Denn das Life-Sciences- Flaggschiff, die Hoechst Marion Roussel (HMR), liegt noch nicht auf Wachstumskurs. „Das Portefolio von HMR ist in weiten Teilen überaltert und ohne Patentschutz“, räumte Dormann ein. Das soll sich nun ändern. Durch „Innovation und Zulassung“. So heißt heute schon der alte Forschungsbereich von HMR. Ziel: Konzentration auf die Entwicklung erfolgversprechender Medikamente und Verkürzung der Entwicklungszeit von zehn auf sechs Jahre.

Die Aktionäre, denen der Kurs ihrer Aktie „erheblichen Kummer“ bereitet, wie ein Sprecher der Deutschen Gemeinschaft für Wertpapiersparer (DWS) unter Beifall beklagte, hörten es gerne, allein, es fehlte den meisten der Glaube. Schließlich sei noch nicht einmal der siebenköpfige Vorstand, der 1997 rund 15 Millionen Mark Gehalt kassierte, den neuen Strukturen entsprechend umbesetzt worden.