■ Rechtzeitig vor dem großen Datumswechsel steht eine weitere schöne Katastrophe bevor
: Der CD-Player-Crash

Nachdem 1996 das Jahr war, in dem es wie auf eine geheime Absprache hin weltweit den Bambus spektakulär geschrägt und hinweggerafft hat, was, wie zu hören war, alle siebzig Jahre vorkommen soll; nachdem bekannt wurde, daß im Jahr 2000 vermutlich die Computer dran sein werden, die unter der binären Last des Millenniumswechsels konzertiert kollabieren werden – wird 1998, gewissermaßen als Interimslösung und damit die Zeit bis dahin nicht lang wird, als Jahr in die Geschichte eingehen, das das elendigliche Dahinsiechen und auch -scheiden aller in Privathaushalten befindlicher CD- Abspielgeräte herbeigeführt hat.

Dabei kündigte sich das beinahe massensuizidal anmutende Breitenphänomen spätestens seit der zweiten Hälfte 1997 mit Nachdruck und erheblicher statistischer Signifikanz an. Seither häufen sich aus allen Ecken die Klagen, der CD-Player wolle in jüngster Zeit irgendwie nicht mehr so, wie man selber wolle. Immer wieder hake und holpere er an bestimmten Stellen bestimmter CDs, andere „finde“ er gleich gar nicht, obwohl einwandfrei im dafür vorgesehenen Schacht verstaut. Bei wieder anderen seien bestimmte Stücke, die noch auf den Booklets aufgeführt seien, von der Disk spurlos und unauffindbar verschwunden...

Eine Zeitlang sieht dann alles so aus, als würde sich das Gerät auf diesem zwar unbefriedigenden, aber gerade noch tolerablen Funktionstüchtigkeitsniveau stabilisieren; die Degeneration verläuft nämlich in Schüben. Wenn man sich gerade an die neusten Macken und Schrullen gewöhnt hat, lauert die nächste Überraschung bereits hinter dem Flüssigkeitskristalldisplay. Der „Schuffle“-Modus setzt vollständig aus, die „Skip“-Taste funktioniert nur noch in der falschen Richtung, das Gerät springt überhaupt nur an, wenn man es mit einer jungfräulichen CD füttert und ihm gleichzeitig einen kräftigen Handkantenschlag versetzt. Das finale Stadium ist erreicht, wenn bei Inbetriebnahme ein unirdischer digitaler Häckselbrei ertönt, der nur entfernt noch an die zugrundeliegenden Musikstücke erinnert.

Den vollständigen Exodus am Ausbleiben jeglicher Reaktionen zweifelsfrei zu konstatieren – ist dann lediglich eine Frage der Zeit und wird von den Besitzern nicht selten als heilsame Erlösung empfunden. Ein spätestens jetzt hinzugezogener Hi-Fi-Experte kann nur noch die Todesursachen feststellen: irreparable Defekte elementarer Bauteile, meistens der Laser- und Steuerungseinheit. Als einzigen Trost bietet der Fachmann die kostenlose Entsorgung des leblosen Kadavers bei Kauf eines Neugerätes an.

Über die tiefer liegenden Ursachen des weltweiten Player-Crashs weiß man hingegen noch so gut wie nichts. US-amerikanische Verbraucherschutzorganisationen suchen bisher vergeblich nach einem insgeheim in alle Neugeräte eingebauten Datums-Chip, der an einem Stichtag die Selbstzerstörung in Gang setzt. Im Internet kursierende Theorien gehen davon aus, daß die Geräte sich via Netzkabel über die ganz normalen Stromnetze kurzschließen und gleichschalten – ein geheimes Kommunikationssystem, gewissermaßen. Was da indes für Signale oder Codes übertragen und ausgetauscht werden könnten, ist bislang noch völlig unklar.

Fest steht nur – und das ist gleichzeitig das einzig Positive an der ganzen Misere –, daß das massenhafte CD-Player-Sterben dazu angetan ist, das schon mit Wucht und gehörigem Impetus heranrollende Jennifer-Rush-Revival noch ein wenig hintanzuhalten, wenn es es nicht gleich ganz zu verhindern hilft. Das wäre dann allerdings in hohem Maße versöhnlich, wenn nicht gar überhaupt vielleicht das geringere Übel.

Man wird sehen müssen. Holm Friebe