Deutschlands Industrielle mögen den SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder, nicht aber die Partei, die er in diesem Herbst an die Macht bringen will. Eine mögliche rot-grüne Regierung in Bonn ist für viele Unternehmer immer noch ein Schreckgespenst Von Walter Jakobs

Bosse: Schröder ohne Sozis – das wär's

Die Arbeiter, deren Bohrer pfeifend in die stahlharten Turbinenteile eindringen, sind diesmal nur Zaungäste. Zwar tritt Gerhard Schröder mitten in der Turbinenhalle der Siemens-Tochtergesellschaft KWU in Mülheim ans Mikrofon, doch seine Rede ist an die knapp 500 in feinem Zwirn gewandeten Arbeitgeber des Unternehmerverbandes Rhein-Ruhr adressiert. Während die Angestellten im Blaumann unter lautem Gedröhne Kraftwerksteile für China fertigen, plädiert der Kanzlerkandidat der SPD dafür, „das Modell Deutschland neu instand zu setzen“. Kühl und distanziert verfolgen die Zuhörer den Vortrag. Auch als Schröder ein neues Bündnis für Arbeit als „den Kern“ seiner Strategie gegen die Arbeitslosigkeit bezeichnet, rührt sich keine Hand zum Applaus. Da hilft nicht mal der Hinweis auf das „holländische Modell“.

Daß Schröder ausgerechnet den stellvertretenden IG-Metall-Vorsitzenden Walter Riester als Arbeitsminister und Moderator der Bündnisinitiative vorgesehen hat, stimme ihn nicht gerade zuversichtlich, sagt Rainer Gossmann, Unternehmer aus Duisburg. „Insbesondere die IG Metall“, so Gossmann weiter, habe „sich doch sehr schwergetan, die notwendige Flexibilisierung mitzutragen“.

Ein Einwand, den zu entkräften Schröder zwar leichtfällt, weil Riester auch bei den Tarifexperten der Arbeitgeber tatsächlich nicht im Ruf steht, sich der Fexibilisierung von Tarifverträgen zu verweigern. Aber Gossmann bleibt skeptisch. Auch Schröders Hinweis auf die jüngste Vereinbarung zwischen der IG Metall und dem Dienstleistungsunternehmen Debis vertreibt die Zweifel nicht. Bei der Daimler-Tochter Debis war die 35-Stunden-Woche des Metalltarifs außer Kraft gesetzt und duch flexiblere Arbeitszeiten ersetzt worden. Das Beispiel zeige doch, so Schröder, daß in der Praxis viel mehr möglich sei, als der Einwand von Gossmann suggeriere. Er glaube, daß das Bündnis für Arbeit gerade mit Riester, der wisse, was die Gegenseite überfordere, „ganz vernünftig“ werde.

Nach Ende der Schröder-Rede – die eine Absage an einen nationalen Alleingang bei der Ökosteuer ebenso enthält wie ein Plädoyer für weniger Bürokratie und eine Senkung der Körperschaftssteuer auf 35 Prozent – meldet sich Heinz Lison, der Vorsitzende des Unternehmerverbandes, zu Wort. „Sie machen uns als Arbeitgeber Mut“, lobt Lison. Doch dann folgt die Einschränkung auf dem Fuße. Die Frage sei mit Blick auf die SPD doch, was von den Ankündigungen bleibe, „was dabei herauskommt“. Am Schluß wünscht Lison dem sozialdemokratischen Gast „den Erfolg, den Sie brauchen, das in Ihre Partei zu tragen“.

Eine nicht nur für die in Mülheim anwesenden Unternehmer typische Arbeitgeberreaktion auf Schröder. Man klopft ihm auf die Schulter, aber mißtraut seiner Partei. Selbst Unternehmensberater Roland Berger, der Schröder oft als enger Berater zu Diensten war, reagiert nach diesem Muster. Bei der Bundestagswahl will Berger trotz Kanzlerkandidat Schröder CSU wählen. Weil die in der Wirtschaftspolitik über ein wirklich „modernes Konzept“ verfüge und er mit dem SPD-Programm seine „Schwierigkeiten“ habe.

Um einiges schärfer fällt die Kritik von Hans-Olaf Henkel aus. Der BDI-Chef läßt inzwischen keine Gelegenheit aus, vor einem Regierungswechsel zu warnen. In dem Fall drohten „noch mehr Staat und noch mehr Belastung für Bürger und Unternehmen“. In Anspielung auf den britischen Labour-Regierungschef klassifiziert Henkel das SPD-Wahlprogramm „eher reaktionär als Blair“. Es trage zum Teil zwar die richtigen Überschriften, habe aber eindeutig die falschen Rezepte im Kleingedruckten.

Auch die in Mülheim versammelten Bosse erwarten bei aller Kritik an der Bonner Regierung von einem Wechsel nicht viel Positives. Vor allem vor den Grünen auf der Regierungsbank graust ihnen. „Wir sehen schwarz für diesen Standort, wenn wir daran denken, daß die Grünen in die Regierung kommen“, sagt Gernot Hänig von den Duisburger Grillo-Werken. Der Beifall zeigt, daß Hänig damit bei den Anwesenden den Nerv getroffen hat. Ausstieg aus der Atomkraft, fünf Mark für den Liter Benzin, Garzweiler II oder die Ökosteuer – die Liste der Schreckgespenster ist in dieser Runde lang.

Der Kandidat weist umgehend den grünen Benzinbeschluß zurück, dessen Aufhebung eine „Voraussetzung“ für Koalitionsverhandlungen darstelle. Er schweigt zum Atomausstieg und warnt ansonsten „vor Dramatisierungen“. Wie man eine rot-grüne Konstellation zu führen habe, könne man im übrigen „nirgendwo besser sehen wie in NRW“. Das gelte gerade mit Blick auf das Braunkohleprojekt Garzweiler II. Die SPD werde auch nach einem Wahlsieg im Herbst diesen Kurs fahren und so „industriepolitische Vernunft“ sicherstellen.