Italien gegen „lebenslänglich“

Der Senat billigt eine umstrittene Strafrechtsänderung. Nun muß die Abgeordnetenkammer noch zustimmen. Die Fronten verlaufen quer durch die politischen Lager  ■ Aus Rom Werner Raith

Kein „lebenslänglich“ mehr für Italiens Gewaltverbrecher. So jedenfalls will es der Senat, die zweite Kammer der Volksvertretung. Mit einer relativ breiten Mehrheit, 107 gegen 51 Stimmen bei acht Enthaltungen, billigten die Volksvertreter ein Gesetz, das die Strafen künftig in drei Kategorien einteilt: Haft (bis zu fünf Jahren), Freiheitsentzug (bis zu 30 Jahren) und Sonderverwahrung (bis zu 33 Jahren).

Während bei den beiden „unteren“ Kategorien nach Verbüßung einer Mindestzeit eine vorzeitige Haftentlassung wegen guter Führung oder aus gesundheitlichen Gründen möglich ist, dürfen gegenüber „Sonderverwahrten“ Vergünstigungen nicht gewährt werden. Wer sich gleich mehrere Höchststrafen eingehandelt hat, wird zusätzlich auch noch in totale Isolation von den anderen Gefangenen gebracht.

Das Gesetz, das nun noch vom Abgeordnetenhaus bestätigt werden muß, hat sowohl die Mitte- links-Regierungsmehrheit wie die Rechtsopposition gespalten: Die von Außenminister Lamberto Dini geführte Fraktion der „italienischen Erneuerung“ hat gegen die neue Norm gestimmt, ebenso hat sich Justizminister Flick in einer „persönlichen Erklärung“ gegen das Gesetz ausgesprochen. Er hält das Gesetz für „unvereinbar mit der von der Mitte-links-Regierung versprochenen harten Linie gegen das Gewaltverbrechen“. Das brachte ihm nach der Abstimmung böse Anwürfe von Grünen und Neokommunisten ein, die zu den entschiedensten Befürwortern der Strafrechtsänderung gehören. Auf seiten der Opposition, die das Gesetz als eine „glatte Ermutigung zum Mord“ ansieht, distanzierten sich verschiedene Abgeordnete von ihrer Fraktion und stimmten für die Abschaffung von „lebenslänglich“ oder enthielten sich der Stimme.

Begründet wurde das Gesetz von seinen Verfechtern mit humanitären Motiven: „lebenslänglich“ bedeute, insbesondere in den mitunter grauenhaften italienischen Gefängnissen, „lebendig begraben zu sein“, wie es die Rifondazione comunista wertet. Auch die moderate Volkspartei möchte mit der neuen Norm „ein Zeichen setzen, daß es beim Wegschließen von Menschen nicht um ihre Vernichtung, sondern um ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft“ geht.

In Italiens Gefängnissen wurde die Entscheidung des Senats natürlich mit großem Enthusiasmus begrüßt. In Palermo und Neapel, vor allem aber in den Hochsicherheitsgefängnissen, in denen zahlreiche Mafiosi und Camorristen einsitzen, sollen nach Angaben der Behörden die Sektkorken geknallt haben. Kommentar Seite 12