Baumwollartiges Essen

In Flottbek befindet sich Hamburgs einzige Tofu-Manufaktur. Hier werden jede Woche zwei Tonnen des Sojaprodukts hergestellt  ■ Von Volker Stahl

„In Japan gibt es Tofureien an jeder Straßenecke – wie hier Bäckereien“, schwärmt Christian Nagel. Sieben verschiedene Sorten des Sojaproduktes verkaufen die Läden dort, vom seiden- bis zum baumwollartigen Tofu ist alles dabei. Ganz so viel haben Nagel und seine Frau Andrea zwar nicht zu bieten, dennoch sind sie ohne Konkurrenz: Seit 1984 betreibt das Ehepaar Hamburgs einzige Tofu-Manufaktur.

Der acht-Leute-Betrieb an der Osdorfer Landstraße in Flottbek ist in einer ehemaligen Backstube beheimatet. Und die platzt mittlerweile aus allen Nähten. „Wir haben so wenig Platz, daß wir die frisch produzierte Ware sofort verpacken müssen“, klagt Nagel. Auf knapp 200 Quadratmetern stellt der 42jährige mehr als zwei Tonnen Tofu pro Woche her. Damit beliefert er 600 Naturkostläden in Norddeutschland, Berlin und Bielefeld. Der Umsatz des Betriebs beträgt 1,2 Millionen pro Jahr, Tendenz steigend.

Kennengelernt hat der gelernte Fernmelde-Elektroniker die Sojabohne nicht etwa in Shanghai oder Kioto, sondern als Aussteiger in Dänemark. Dort wohnte er vor anderthalb Jahrzehnten in einer Landkommune bei Freunden, die sich makrobiotisch ernährten.

Zurück in Deutschland war Nagel auf der Suche nach einem Broterwerb, der ihm mehr Spaß machen würde als sein Lehrberuf. Als sich 1984 die Chance bot, die gerade im Aufbau befindliche Tofu-Manufaktur von einem Dauer-Aussteiger zu übernehmen, griff er zu. „Unser Vorgänger wollte sich dem Zen-Buddhismus widmen und nur noch meditieren“, erinnert sich Andrea Nagel. Sie ist gelernte Krankenschwester, arbeitet aber mittlerweile auch in der Manufaktur.

Die Herstellung von Tofu ist nicht besonders aufwendig. Schon der Name verrät das Grundrezept: „To“bedeutet im chinesichen „Bohne“und „fu“wird mit „gerinnen“übersetzt. „Über Nacht weichen wir die Sojabohnen in Wasser ein und mahlen sie anschließend“, erklärt Christian Nagel. Daraus entsteht ein Brei, der erst gekocht und dann durch Pressen von den Schalen befreit wird. Die „Okara“genannten übrigbleibenden Faserstoffe und Schalenreste werden meist zu Tierfutter weiterverarbeitet.

Ähnlich wie bei der Käseherstellung wird die heiße Sojamilch durch Beigabe von Nigari zum Gerinnen gebracht, einem Zusatzstoff aus natürlichem Meersalz. Heraus kommt ausgeflocktes Eiweiß – bereits das als Tofu bezeichnete Endprodukt. Geräuchert, gewürzt oder naturbelassen kommt es in die Läden.

In den USA und in Asien ist das Soja-Produkt schon lange bekannt; die Chinesen essen die „große Bohne“angeblich schon seit 2838 vor Christus. Seit Ende der 70er Jahre kommt Tofu auch in Deutschland auf den Tisch. Mittlerweile gibt es in der Bundesrepublik zehn Firmen, die den „Sojaquark“herstellen. Die Hamburger Manufaktur bietet Madagaskar-, Oriental- oder Kräuter-Tofu an; außerdem gibt's Frühlingsrollen, Grünkern-Bratlinge und „Tofu-Knacker“genannte Würstchen.

Solche und ähnliche Produkte schmeckten in den ersten Jahren deutscher Tofuproduktion eher mäßig. Heute jedoch steigen selbst Nicht-Vegetarier ab und an auf den Fleischersatz um. Der Fleischkonsum der Bundesbürger sank zwischen 1990 und 1997 von rund 66 auf 60 Kilo pro Kopf, sicher auch aus Angst vor BSE oder der Schweinepest. Auch aus Gesundheitsgründen werde das Sojaprodukt immer beliebter, betont Christian Nagel: „Tofu enthält alle acht Aminosäuren, senkt den Cholesterinspiegel und beugt einigen Krebsarten vor.“