FU will sich ihren Ruf ruinieren

An der frauenfreundlichsten Universität Deutschlands soll Frauenförderung abgebaut werden. Die Zentraleinrichtung Frauenforschung und die Kita stehen zur Disposition  ■ Von Ute Scheub

Exakt 50 Jahre nach ihrer Gründung will die Freie Universität (FU) das Rad ihrer eigenen Geschichte massiv zurückdrehen. Denn die „frauenfreundlichste Universität Deutschlands“ mit einem Frauenanteil von 47 beziehungsweise 38 Prozent auf Promotions- und Habilitationsstellen baut jetzt die Frauenförderung auf allen Ebenen ab.

Christine Färber, Zentrale Frauenbeauftragte der FU, hat keinerlei Veranlagung zum Klageweib. Doch auf ihrer gestrigen Pressekonferenz konnte sie ihre Wut kaum mehr verhehlen: „Die FU hat jahrzehntelang enorm viel Zeit und Geld in die Frauenförderung investiert“, schimpfte sie, und nun sei das alles plötzlich nichts mehr wert.

Konkret geht es, erstens, um Vertretungen für Erziehungsurlauberinnen. Die würden seit einem dreiviertel Jahr faktisch nicht mehr gewährt, so die Frauenbeauftragte. Weil viele ProfessorInnen deshalb keine Frauen mehr einstellen wollen, wird der wissenschaftliche Nachwuchs in rasantem Tempo vermännlicht.

„So schnell wir per Rotation auf befristeten Stellen den Frauenanteil erhöhen konnten, so schnell kann er auch wieder bei Null landen“, warnte Christine Färber.

Zweitens soll nach einem Vorschlag von FU-Kanzler Wolf-Dietrich von Fircks die renommierte „Zentraleinrichtung (ZE) zur Förderung von Frauenstudien und Frauenforschung“ aufgelöst werden. Die 1980 gegründete Einrichtung war die erste ihrer Art undwurde für viele Universitäten zum Vorbild.

Kanzler von Fircks möchte jetzt die ZE-Bibliothek der Zentralbibliothek der Freien Universität und die dort arbeitenden Wissenschaftlerinnen bestimmten Professuren zuschlagen, „um eine Erhöhung des Anteils weiblicher Lehrender in der Vorbild- und Ermutigungsfunktion für die Studierenden zu schaffen“ (sic!). Die zahlreichen Dienstleistungs- und Koordinationsfunktionen der ZE wären damit gekappt. Das Kuratorium der FU wird darüber voraussichtlich am 29.Juni abstimmenn. Eine negative Entscheidung hätte bundesweiten „Signalcharakter“, befürchtet ZE-Leiterin Johanna Kootz.

Drittens steht die Zukunft der Kindertagesstätte auf dem Spiel und damit für viele Frauen an der FU die Vereinbarkeit von Familie und Studium sowie Beruf. Vor über 20 Jahren als bundesweit erste universitätseigene Kita gegründet, werden dort derzeit 174 Kinder aus 40 Nationen betreut. Weil freie Stellen nicht mehr besetzt würden, könnten keine Kinder mehr aufgenommen werden, so die Frauenbeauftragte. Derzeit prüfe die FU die Abgabe an einen neuen Träger.

Viertens werden die Frauenbeauftragten an den einzelnen Fachbereichen ebenfalls nach einem Vorschlag von Kanzler Fircks bewegungsunfähig gemacht. Obwohl die Fachbereiche laut Christine Färber in Zukunft durch Umstrukturierungen zwei- bis viermal so groß sein werden, soll die Freistellung der Frauenbeauftragten von 50 auf 10 Prozent heruntergeschraubt werden.

„Ich weiß nicht, wie die Frauen das schaffen sollen“, schüttelte die Zentrale Frauenbeauftragte den Kopf. Ihre eigenen beiden Stellvertreterinnen sollen laut dem Kanzler-Fircks-Rundschreiben überhaupt nicht mehr freigestellt werden.

„Die Frauen an der FU müssen den Hintern hochkriegen“, ist Christine Färbers Fazit. Dazu ergibt sich schon heute ab 9.30 Uhr eine Gelegenheit: Während im Auditorium maximum des Henry- Ford-Baus 50 Jahre Freie-Universität-Geschichte gefeiert werden, soll dagegen im Vorraum gegen die Verdrängung der FU-Frauengeschichte protestiert werden.