Nicaragua nimmt Bananen als Geiseln

■ Gericht verhängt Ausfuhrverbot für Standard-Fruit-Bananen, weil der Bananen-Multi keine Entschädigung an 2.000 pestizidvergiftete Pflücker zahlen will. Die Geschädigten klagen auf 10 Millionen Dollar Sc

Berlin (taz) – Nicaragua läßt sich die Hinhaltetaktik der Standard Fruit Company nicht länger bieten. Weil der US-Bananen- Multi keine Entschädigung an Plantagenarbeiter zahlen will, die durch den Einsatz des Pestizids Nemagón erkrankt sind, hat ein Gericht in Managua ein Ausfuhrverbot für Standard-Fruit-Bananen verhängt. Wie die Zeitung La Prensa in Managua berichtet, wurden am Dienstag die ersten 37 Lkws, die Bananen in die honduranische Hafenstadt Puerto Cortés bringen wollten, an der Ausreise gehindert. 9.000 Kisten mit Bananen werden jetzt wohl an der Grenze verfaulen.

Laut dem Gerichtsbeschluß soll das Ausfuhrverbot für Bananenlieferungen im Wert von zehn Millionen Dollar gelten. Das entspricht der Summe, die eine Initiative von rund 2.000 Landarbeitern für die Folgen des jahrelangen Nemagón-Einsatzes über den Standard-Fruit-Plantagen verlangt. Nach offiziellen Angaben wird das Pestizid in Nicaragua und anderen mittelamerikanischen Staaten zwar nicht mehr verwendet. Aber erst im Februar waren im benachbarten Honduras 17 unterirdische Lager entdeckt worden, die je 15 bis 20 Pestizidfässer enthielten.

Nemagón besteht aus der Chemikalie Dibrom-Chlor-Propan (DBCP), die von der Weltgesundheits-Organisation WHO unter den toxischen Stoffen als „sehr gefährlich“ eingestuft wird. Bereits 1985 wurde sein Einsatz von der US-Umweltschutzbehörde verboten. In Lateinamerika und Asien setzten es die großen Frucht-Multis wie Del Monte oder Standard Fruit aber weiterhin in großem Stil ein. „Das ist einer der größten Fälle organisierter Umweltkriminalität“, sagten Jürgen Knirsch von der Buko Agrarkoordinierung.

Viele Plantagenarbeiter waren über Jahrzehnte hinweg dem Gift ausgesetzt, ohne Schutzanzüge oder Atemmasken. Mit verheerenden Folgen, denn DBCP kann bei Männern zu Sterilität führen. Dies wird nicht einmal mehr von Standard-Fruit bestritten. Nach Untersuchungen der US-Umweltschutzbehörde verursacht DBCP auch Nieren-, Hoden- oder Brustkrebs. Nach Schätzungen sind etwa 25.000 Menschen weltweit erkrankt, weil sie DBCP ausgesetzt waren. Und in Honduras erregte unlängst der Bericht eines Krankenhausdirektors Aufsehen, nach dem einige Babys ohne Gehirn zur Welt kamen, weil die Körper ihrer Eltern DBCP-vergiftet waren.

Dieser Zusammenhang wird von Standard-Fruit vehement bestritten. Außerdem versprühe man nur Pestizide, die von der Regierung ausdrücklich genehmigt worden seien, heißt es dort. Doch Honduras Präsident Carlos Flores hat inzwischen eine Untersuchungskommission eingesetzt, die die Vorwürfe des Krankenhausberichts aufklären soll. Deren Mitglieder beschwerten sich schon nach einer Woche, von den Bananen-Konzernen keine ausreichenden Daten zu bekommen.

In den vergangenen Jahren haben sich die Betroffenen in verschiedenen Ländern zur Wehr gesetzt. 1993 verklagten einige tausend Plantagenarbeiter aus elf Ländern in Asien und Lateinamerika sowohl die großen Bananenkonzerne als auch die Chemieriesen Dow Chemical, Shell Oil und Occidental Chemical, die DBCP herstellen und als Nemagón vertreiben. Der Prozeß endete im September 1997 mit einem Vergleich. Die drei Chemiekonzerne überwiesen 41,5 Millionen Dollar an eine US-Bank, die die Entschädigungen verteilte. Für die meisten der Betroffenen sprang nicht viel heraus: Sie erhielten einen Scheck über 100 Dollar und verzichteten auf alle weiteren Forderungen. Die Bananen-Multis haben jedoch bis jetzt nichts bezahlt. Doch die Wut nimmt zu: In Honduras vergammelten bereits im Februar 180.000 Kisten mit Standard-Fruit-Bananen vor den Barrikaden von aufgebrachten Arbeitern.