■ Wie die Grünen aus ihrer Formkrise wieder herausfinden können
: Auszeit für die Grünen

Natürlich hat es strukturelle Gründe, wenn man so abrupt abstürzt wie jetzt die Grünen. Aber jeder Sports- und Politikmensch weiß, daß man solche grundlegenden Schwachstellen nach, nicht während eines Spiels bespricht. Ein intelligentes Spiel wie Basketball kennt die Regel, daß jede Mannschaft in jeder Halbzeit zweimal eine Minute Auszeit beanspruchen kann. Dann wird geklärt, was man ändern kann. Eine solche Minutenempfehlung für die Grünen hieße:

1. Regierungscrew. Die Partei benennt rasch eine Crew, die im Wahlkampf herausgehobene Verantwortung trägt und aus der sich das grüne Regierungspersonal rekrutieren wird. Die Grünen haben für Bonn etwa 20 Ministrable, 12 von ihnen werden ausgewählt: Joschka Fischer, Jürgen Trittin, Bärbel Höhn, Michael Vesper, Antje Vollmer, Rezzo Schlauch, Ludger Volmer, Krista Sager, Werner Schulz, Andrea Fischer, Fritz Kuhn, Kerstin Müller.

So überwindet man auf Zeit die Schwäche der Strukturen und profitiert von der Stärke der Personen. In dem zu erwartenden Wahlkampf hochgradiger Personalisierung zwischen Kohl/Schäuble und Schröder/Lafontaine bleibt man über angesehene Personen im Gespräch. Gleichzeitig zeigt man, daß die Grünen nicht nur aus Joschka Fischer bestehen.

2. Plattform. Auf wenigen Seiten werden Grundlinien für vier Jahre Regierung aufgeschrieben. Keine Zahlen, keine Paragraphen, dafür Prinzipien und Prioritäten. Regieren ist immer Prozeß und steht unter tausend Vorbehalten. Der Finanzierungsvorbehalt ist nur einer, die Vorbehalte von Koalitionspartner, rasch wechselnder Agenda, und und und bestimmen das Regieren mehr als Programmdetails.

Kein Mensch liest Programme oder Koalitionsverträge. Nach vier Jahren muß der Eindruck entstanden sein, es mache eine Differenz, ob die einen oder die anderen regieren. Mehr ist unter dem Wahlaspekt – wir sind mitten im Spiel! – nicht zu sagen.

Zwei oder drei Leute aus der Regierungscrew schreiben den Entwurf, in acht Wochen haben wir die Plattform in der Hand.

3. Konzentration. An drei Themen, die für Gesellschaft und die eigene Anhängerschaft wichtig sind, läßt sich zeigen, womit es den Grünen besonders ernst ist. Liegen wir richtig, wenn wir Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Ökosteuer und Atomausstieg bzw. Energiewende vermuten? Ein weites Feld schon dies, wenn Begründungen und Querverbindungen beschrieben werden sollen. Dann ist aber auch Schluß. Außenpolitik, Flugbenzinsteuer, Leinenzwang für Hunde kommen nicht vor. Joachim Raschke

Der Autor ist Professor für Politologie und Parteienforscher